Kultur

Ausschnitt aus „Ein Regentag mit Walter Kampmann“, eine Serigrafie von Friedensreich Hundertwasser aus dem Jahr 1969. die komplette Ansicht finden Sie im Beitrag. (Foto: Namida AG)

10.08.2018

Blumen des Guten

Im Amberger Congress Centrum begeistern Hundertwasser-Grafiken Jung und Alt

„Wunderschöne Bilder, die auch gerade Kinder und Jugendliche begeistern!“, schreiben Besucher aus Nordrhein-Westfalen ins Gästebuch. „Oma und Opa“ einer Aurelia stimmen zu. Das ist offenbar das Erstaunliche an dieser großen Hundertwasser-Retrospektive im Amberger Congress Centrum, dass der Jahrhundert-Grafiker immer noch seine Verehrer hat – und neue bekommt.
Alle zwei Jahre gibt es in Amberg Kunstgeschichte-Prominenz, und wieder einmal würde man sich einen Ausstellungsführer durch die verschwenderische Fülle von 70 Originalgrafiken wünschen. Aber sie hängen wenigstens an Stellwänden ohne gerade Linien: Die hätten nämlich Friedensreich Hundertwasser nicht gepasst. Geschwungen, gewellt, lebendig sollten seine Bilder und Linien sein, besonders aber ein politisch-gesellschaftliches Anliegen haben.
Nach all den gigantischen Druckauflagen, die sich von wenigen hundert Stück über einige Tausend bis zu den 100 000 von Good Morning City gesteigert haben, nach Hundertwasser-Motiven auf Schirmen, Einkaufsbeuteln und Kaffeetassen, fragt man sich: Hat dieser Hundertwasser, der dieses Jahr 90 geworden wäre, immer noch die Ausstrahlung wie in den 70er- und 80er-Jahren, als er Menschen aller Altersgruppen und Bildungsgrade fasziniert hat – mit teuren Originalgrafiken ebenso wie mit Kunstpostkarten?
In Amberg lässt man sich von der Leuchtkraft dieser Bilder und ihrer goldenen Signaturen erneut leiten, denkt auch an die Hundertwasser-Bauwerke weltweit, die inzwischen schon wieder vom Verfall bedroht sind, denkt an solche grün-romantischen Ideen wie das vom Salzfrachter zum Regentag-Schiff umgebaute Lieblingsfahrzeug Hundertwassers.
Von dessen Techniken, Motiven lernt man schon beim ersten Bild der Ausstellung viel kennen: „Wenn ich eine Negerin hätte, würde ich sie lieben und malen“ (1955, noch in bescheidener Hunderterauflage). Man sieht das kubistische Erbe, die leuchtenden Farben, die für Hundertwasser typischen Gesichtszüge mit den schlitzartigen Augen, den besonders betonten Wangen, den üppigen Lippen.

Absage an die gerade Linie

Schon mit sieben Jahren hatte Friedrich Stowasser (1928 geboren) zeichnerisches Talent gezeigt. Trotz der Judenverfolgung in Wien, bei der große Teile seiner Familie deportiert wurden, blieb er in seiner Heimatstadt, studierte dort ab 1948, ging auf Reisen, machte aus Sto- „Hundertwasser“ (der „Friedensreich“ kam später). Vieles von dem, was man an Schautafeln über eine kunsthistorische Einordnung liest, sieht man auf den Bildern seine Begeisterung für Gustav Klimt und dessen verschwenderisches Gold, den Einfluss der afrikanischen Kulturen (den der Kubismus immer abgestritten hatte) und ab 1953 sein Credo: „Die gerade Linie führt zum Untergang.“
Staunend verfolgt man Bild für Bild die Weiterentwicklung druckgrafischer Techniken durch Hundertwasser und seine kongenialen Drucker: Metallfolienprägung, fluoreszierende Farben, Reflexperlen – das Dekorative, das man leicht unters Volk bringen konnte, diente ihm auch zum Transport seiner Gedanken über Natur- und Umweltschutz und über die Ablehnung der Bauhaus-Geradlinigkeit.
Damit war er bis zu seinem Tod im Jahre 2000 rastlos unterwegs. Er starb auf einer Fahrt der „Elizabeth II“ von Neuseeland nach Europa. Begraben hat man ihn Down Under im „Garten der glücklichen Toten“.
Auch nach Jahren noch können die Mappenwerke, das Leuchten einer Flucht ins All, die funkelnden Kuppeln der gelben Häuser, die Poesie der Titel begeistern, auch die Sorgfalt der Drucker wie der Familie Dietz in Lengmoos.
Trotz aller komplizierten Herstellung seiner Grafiken: Hundertwasser wollte das Paradies „gleich ums Eck beim Nachbarn“ beginnen lassen. Und er wollte nicht lange darauf warten, sondern „es selbst machen“. So begegnet man diesem Paradies auch in dieser Ausstellung in der typischen Überfülle des Vegetativen, in der Ablehnung des Alltags-Durchschnitts-Grau, in der Bewunderung der Schöpfung (Gesang der Wale). Mit all dem hat Hundertwasser aus Baudelaires Blumen des Bösen die Blumen des Guten gemacht. (Uwe Mitsching)

Information: Bis 19. September. Amberger Congress Centrum, Schießstätteweg 8,
92224 Amberg. Mo. bis So. 11-19 Uhr, Do. und Fr. 11-20 Uhr.

Abbildung: „Ein Regentag mit Walter Kampmann“, eine Serigrafie von Friedensreich Hundertwasser aus dem Jahr 1969.   (Foto: Namida AG)

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