Kultur

Die Inszenierung liefert schöne Bilder, aber nicht mehr. Hier Philipp Quest als Monster. (Foto: Marion Bührle)

08.02.2019

Brodelndes Brimborium

Das Theater Regensburg verpasst es, in „Frankenstein“ die Hybris der Wissenschaft aktuell zu hinterfragen

Eine ausgesprochen spannende Auseinandersetzung mit dem Thema Frankenstein wird versprochen: wie die Wissenschaft sich selbst in die Position Gottes setzt, wie sie in ihrer Hybris durch Genmanipulation oder anderes Herumgefrickel Leben erschaffen will und dies als Fortschritt preist, ohne an Moral und Konsequenzen zu denken. Da käme die alte Geschichte (1818) von Mary Shelley über den hyperehrgeizigen Wissenschaftler, der ein Monster zusammenschraubt, gerade recht, um das Thema neu und aktuell zu denken. Und tatsächlich hat der britische Dramatiker Nick Dear sich genau das zur Aufgabe gesetzt. Das Ergebnis ist aktuell am Theater Regensburg zu sehen. Es ist eine große Enttäuschung.

Opernhafte Ausstattung

Dabei fahren Regisseur Sam Brown und ein Team aus Bühnenbildner, Sounddesigner und gleich zwei Choreografen alles auf, was das Velodrom zu bieten hat: Es blitzt und kracht und blinkt und rührt sich. Aber die Geschichte selbst bleibt in dem brodelnden Brimborium von Rumms und Bumms vollends am Bühnenboden pappen, weil in der ganzen opernhaften Ausstattung, die bis zu einer sagenhaft peinlichen, vor 80er-Jahre-Altmodigkeit triefenden Tanzszene geht, die Problemsetzung selbst komplett untergeht, zwar ständig in Geplärr behauptet, aber nie wirklich spürbar wird.

Man sieht die Kernfrage an der Oberfläche ausgestellt, aber nie im Inneren auch nur ansatzweise problematisiert oder durchdacht. Man sieht keinerlei widerstreitende Haltungen, nur den permanenten, in all dem Hallo durchaus auch ermüden könnenden Kampf Schöpfer gegen Geschöpf. Dass die Darsteller der beiden – weil man ja fragen kann, wer denn nun das wirkliche Monster ist – zu Beginn jeder Vorstellung ausgelost werden, ist purer Pipifax. Arme Schauspieler! Die müssen sowieso alle in dem bühnentechnischen Haudraufundschluss beständig zur ganz großen Geste greifen, um sich irgendwie verständlich zu machen. Leise Töne gibt’s hier nicht.

Der Text ist schwerfällig, wimmelt von Plattitüden und Logikwacklern, die Inszenierung folgt ihm dabei.
Wenn Dr. Frankenstein seiner Braut verbietet, ihn auf eine Reise zu begleiten, sagt er in schönstem Bürokratendeutsch: „Das ist kein Umfeld für dich.“ Wenn das Monster, das die ganze Zeit als extrem abstoßendes Wesen gezeichnet wird, schlussendlich im Bett der Braut landet, will sie sich ihm gleich hingeben. Ein blinder Mann bringt ihm Lesen und Schreiben bei. Nicht menschliche Roboterwesen sollen ihn Menschlichkeit lehren, müssen dann vor seinen Attacken gerettet werden, obwohl sie ja kein Leben haben. So geht das in einem fort. Das Wort „Warum?“ geht auf der Bühne Gassi.

Brüche beim Erzählen

Dies Hölzerne, Wackelige, führt sich im Spiel selbst fort. Wenn beispielsweise zu Beginn zu sehen ist, dass es scheinbar misslungen ist, das Geschöpf zum Leben zu erwecken, geht Dr. Frankenstein enttäuscht davon, das Monster beginnt, alleine gelassen, sich zu regen und zu taumeln, der Doktor kehrt – warum auch immer – zurück, und zack: Man sollte meinen, dass er irgendwie erstaunt oder schockiert ist – doch nichts davon. Er geht einfach hin, wird vom Wesen angegriffen, alarmiert seine Mannschaft, die er gerade eben erst heimgeschickt hatte, die aber plötzlich wieder da ist, und flieht. Da ist schon was passiert, nur warum es passiert ist, ist völlig schleierhaft.
Irgendwann sagt Vater Frankenstein: „Ich ertrage das nicht mehr.“ Schönes Fazit. (Christian Muggenthaler)

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