Kultur

„Eine Göttliche Komödie“: v.l. Max Gindorff, Tim Werths, Nils Strunk und Franz Pätzold. (Foto: Matthias Horn)

27.03.2019

Buhrufe aus dem Publikum

„Eine Göttliche Komödie. Dante Pasolini“ im Münchner Residenztheater

Kinder oder Tiere auf der Bühne sind bekanntlich immer heikel. Und letztlich gilt das auch für Autos, weil sie den Schauspielern genauso die Schau stehlen. Zumindest wenn es sich um ein so schickes, nachgerade „kultiges“ Sportcoupe handelt wie einen Alfa Bertone, genauer: einen Alfa Romeo GT 2000 Veloce. Der Oldtimer aus den frühen 1970ern ist schon das ganze „Bühnenbild“ – und auch das einzig Sehenswerte an der Uraufführung mit dem Titel Eine göttliche Komödie. Dante Pasolini, die den Tod des Letzteren zum Thema hat.

Sicher, es gibt ein paar Momente poetischer Komik in dieser Inszenierung von Antonio Latella. Gleich zu Anfang etwa, wenn ein Bub im Fußballdress minutenlang gekonnt einen Ball auf seinen Füßen hüpfen lässt (und dafür in der Premiere Szenenapplaus bekam). Oder wenn eine gute alte Telefonzelle in italienischem Postgelb selbständig auf der leeren, bis zur schwarzen Brandmauer offenen Bühne einen großen Kreis fährt. Damit ist aber schon alles Positive erschöpft, was sich über einen Abend sagen lässt, mit dem Martin Kusej ganz zum Ende seiner Intendanz am Residenztheater doch noch einen Miniskandal hat.

Zuschauer
verlassen den Saal

Wahrscheinlich dachte sich der künftige Burgtheater-Direktor, dass es jetzt, auf gut Österreichisch, eh scho’ wurscht is’, wo er Bayern bald den Rücken kehrt. Und darum konnte man nach langer Zeit nun wieder mal erleben, was früher bei Premieren nicht so selten war: Schon nach 20 Minuten schallten erste Buhrufe aus dem Publikum. Später, als eine Schar pudelnackter Männer zu dröhnender Musik im Stroboskoplicht auf der Bühne herumzappelte, verließ eine erkleckliche Zahl von Zuschauern den Saal, und schließlich gab es wieder „Aufhören“-Rufe vom Balkon.

Grund dafür waren die teils deutlich sexualisierten Gewalt- und Ekelszenen, aber auch die nervig-monotone, mehrfache Wiederholung der gleichen Abläufe speziell in der langen Eröffnungsrunde, in der Pier Paolo Pasolini mit einem jungen Mann (bekanntlich einem Prostituierten) aus dem Auto steigt, der ihn gleich tätlich angreifen wird – und genauso gekleidet ist wie das Opfer: Jeans, Ringel-Shirt, beiger Lederblouson und natürlich Sonnenbrille, das unverzichtbare Requisit, auf das der coole italienische Mann nicht mal mitten in der Nacht am Strand von Ostia verzichtet. Denn dort fand ja die Ermordung des bekannten Regisseurs und Autors 1975 statt, die hier in einem leicht stilisierten Mord-und-Totschlag-Ballett zigmal nachgespielt wird.

Bald nämlich taucht ein dritter Mann auf, gekleidet wie die beiden ersten, dann folgt ein vierter, fünfter, sechster Mörder, alle im gleichen Outfit. Zwischendurch spielen die Akteure die Szene auch mal rückwärts oder in Zeitlupe, aber solche Verfremdungseffekte gibt es leider viel zu wenige, um spannendes Theater entstehen zu lassen.

Womöglich hatte der Regisseur das allerdings auch gar nicht im Sinn, denn was der Italiener hier vorführen will, ist tatsächlich die Hölle. Er kombiniert die Pasolini-Geschichte nämlich mit Dantes Göttlicher Komödie, aus der an diesem sprachlich eher zurückhaltenden Abend immer wieder Verse rezitiert werden. Und so schön die auch klingen, sie können nicht verhindern, dass uns die Inszenierung eines überdeutlich vorführt: Das Inferno ist ein ebenso abstoßender wie langweiliger Ort. Mit oder ohne Alfa Bertone. (Alexander Altmann)

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