Kultur

Philharmonie: Der geplante Totalumbau stößt auf heftige Kritik. (Foto: Gasteig München GmbH/ Matthias Schönhofer)

09.02.2015

"Das wird ein Debakel"

Die Kritik am geplanten Umbau der Münchner Philharmonie nimmt kein Ende. Der Akustikexperte Karlheinz Müller befürchtet eine "Elbphilharmonie auf Raten".

Der Akustikexperte Karlheinz Müller befürchtet ein Debakel beim geplanten Totalumbau der Münchner Philharmonie. Es gebe beim "Bauen im Bestand" viele Unwägbarkeiten. "Der Worst-Case würde eintreten, wenn man erst während des Umbaus merkt, dass es doch nicht ohne einen Totalabriss geht", sagt Müller in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur. "Dann explodieren die Kosten. Schlimmstenfalls bekommen wir eine Elbphilharmonie auf Raten." Der 73-Jährige zählt zu den renommiertesten Akustikexperten der Welt. Er war 40 Jahre lang im Ingenieurbüro Müller-BBM in Planegg bei München tätig und ist dort immer noch als freier Mitarbeiter aktiv.

Frage: Herr Müller, die Münchner Philharmonie ist erst 30 Jahre alt und in ihrer Substanz keineswegs marode. Ist es gerechtfertigt, diesen Bau jetzt total zu entkernen, um dann in der leeren Hülle einen neuen Konzertsaal zu implantieren?  
Karlheinz Müller: Zuerst einmal verstehe ich nicht und habe nie verstanden, warum man diesen Saal so schlecht geredet hat. Er war als Mehrzwecksaal geplant. Und als solcher ist er, ich sage das mit allem Ernst, der beste der Welt. Ich finde es nachgerade skandalös, wie illoyal sich viele gegenüber dem Saal und der Millionen von Besuchern verhalten, die dort großartige und oft auch ergreifende Musik erlebt haben. 

Frage: Aber die Akustik ist doch sicher verbesserungsbedürftig...?  
Müller: Ich würde die Akustik der Philharmonie als tolerant bezeichnen. Groß besetzte Orchesterwerke kommen beim Hörer mit wunderbarer musikalischer Transparenz und trotzdem großer dynamischer Breite an. Bei Solistenkonzerten und Kammerorchestern kann die Akustik die Musiker und die Zuhörer schon mal im Stich lassen, so wie bei allen großen Sälen mit über 2000 Sitzplätzen. 

Frage: Was brächte denn der geplante Totalumbau? Wirklich, wie Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer sagt, einen "Konzertsaal auf Weltniveau"?
Müller: Akustisch würde man nicht viel gewinnen, wenn in die bestehende Außenhaut der Philharmonie nur ein neuer, kleinerer Saal implantiert würde: "Gasteig light"! Entscheidende Veränderungen sind unter diesen Bedingungen gar nicht möglich. Es müsste so vieles verändert werden, dass man den Bau auch gleich ganz abreißen könnte. Es könnte sogar sein, dass viele Musiker und regelmäßige Besucher dem alten "großen Gasteig" dann nachtrauern.

Frage: Welche Risiken würde dieses "Bauen im Bestand" bergen?
Müller: Jeder, der ein in die Jahre gekommenes Einfamilienhaus umbaut, kennt doch die Unwägbarkeiten. Der Worst-Case würde eintreten, wenn man erst während des Umbaus merkt, dass es doch nicht ohne einen Totalabriss geht. Dann explodieren die Kosten.

Frage: Da denkt man natürlich sofort an die Hamburger Elbphilharmonie, oder?
Müller: Umbau des Herkulessaales, Suche nach einer Ersatzspielstätte, Entkernung der Philharmonie am Gasteig: Ich befürchte, das wird eine Elbphilharmonie in Raten. Es sind bisher keine Pläne, keine verlässlichen Kostenschätzungen, keine Umzugspläne für Musiker und Abonnenten vorhanden.
 
Frage: Wie lange würde solch ein Bauvorhaben dauern?
Müller: Wenn alles perfekt läuft, drei bis vier Jahre je Bauvorhaben. Im schlechtesten Fall doppelt so lange. Ich möchte aus Erfahrung darauf hinweisen, dass die zwingend vorgeschriebene europaweite Ausschreibung der Arbeiten schon viele öffentliche Bauten aus der Zeit- und Kostenschiene geworfen haben.
 
Frage: Haben Sie eine Idee, wohin die beiden Münchner Spitzenorchester und freie Veranstalter während der Bauzeit ausweichen könnten?
Müller: Man könnte sicherlich den Kongress-Saal des Deutschen Museums ertüchtigen, woran ja auch schon gedacht wird. Aber das würde viel Geld kosten. Apropos Kosten: Weil ja auch die geplante Ertüchtigung des Herkulessaales nicht ganz billig ist, käme man insgesamt auf einen Betrag, für den man locker den von vielen ersehnten, neuen Konzertsaal bauen könnte. Und eine anschließende Renovierung des großen Saales der Philharmonie wäre damit auch zu finanzieren. Dann hätte man für das Münchner Musikleben für alle Gelegenheiten den richtigen Saal.

Frage: Das sieht dann eher nach einer politischen als einer fachlich fundierten Entscheidung aus?
Müller: Es kann sich nicht um eine fachlich fundierte Entscheidung handeln, da nicht die geringsten Planungsunterlagen bekannt sind. Ich kann durchaus verstehen, wenn hier zwei Politiker Tatkraft demonstrieren wollen. Bevor aber endgültige Entscheidungen getroffen werden, sollten detaillierte Planungsunterlagen und Kostenschätzungen vorgelegt werden. Dann sieht man vielleicht, dass ein Neubau der einfachere und günstigere Weg ist, der noch dazu alle Bedürfnisse der Musikbegeisterten und der Künstler zufrieden stellt. (Interview: Georg Etscheit, dpa)

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