Kultur

Ein Opfer von Ratsch und Tratsch: Peter Grimes, einnehmend gesungen und gespielt von Gerhard Siegel (hier mit Josef Roth als John). (Foto: Dashuber)

24.10.2014

Dem Mob ausgeliefert

Das Gärtnerplatztheater macht die Bedrohung in Benjamin Brittens Oper "Peter Grimes" fast körperlich erfahrbar

Es ist höchst erfreulich, wie schnell Josef E. Köpplinger als Intendant dem Gärtnerplatztheater in München ein eigenes Profil gegeben hat. Dabei arbeitet er unter erschwerten Bedingungen: Wegen der Generalsanierung müssen viele Orte in der Landeshauptstadt bespielt werden. Trotzdem gelingt dem Haus immer wieder großartiges Musiktheater – so auch jetzt bei der Premiere der Oper Peter Grimes von Benjamin Britten.
In ihr bezieht Britten 1945 Stellung gegen den wütenden Mob, um Partei für Außenseiter zu ergreifen. Als Homosexueller wusste Britten, was es bedeutet, an den Rand der Gesellschaft gerückt zu werden. In Peter Grimes wird der Titelheld (einnehmend: Gerhard Siegel) ein Opfer von Ratsch und Tratsch, zumal der Fischer ledig ist und junge Lehrlinge engagiert. Einer von ihnen stirbt, das Volk wittert ein Verbrechen – eine Triebtat sogar –, ohne es auszusprechen. Nur die Witwe Ellen Orford und Captain Balstrode halten zu Grimes (großartig: Edith Haller und Ashley Holland).
Regisseur Balázs Kovalik gelingt es, den Konflikt zwischen dem Ich und dem Sie packend zu erzählen – zwischen dem Titelhelden also und der Übermacht des Chores. Mit der klugen Bühne von Csaba Antal wird eine stringente Gesellschaftskritik entworfen, mit Brückenschlägen ins Heute. Als der Mob unter Trommelwirbeln gegen Grimes aufmarschiert, präsentiert sich der Männerchor martialisch vermummt und in Stiefeln, mit weißen Hemden und schwarzen Hosen. In Kovaliks Heimat Ungarn machen gegenwärtig Neofaschisten und Nationalisten mit diesen Outfits die Straßen unsicher, um Minderheiten und Andersdenkende einzuschüchtern. Kovalik, der an der Bayerischen Theaterakademie unterrichtet, wurde 2010 als Intendant der Ungarischen Staatsoper gefeuert – aus politischen Gründen.
Auch in Orchester und Chor ist die Bedrohung durch die Masse Mensch fast schon körperlich erfahrbar. Unter dem Chefdirigenten Marco Comin wird sehr direkt musiziert, ohne aber aus Britten einen post-veristischen englischen Puccini zu machen. Meisterhaft gelingen nicht zuletzt die orchestralen Zwischenspiele, so die Passacaglia im Zweiten Akt samt bravourösem Bratschen-Solo. Exemplarisch wird verinnerlicht, wie sehr diese Form seit den Barockopern von Purcell für Leid und Klage steht. (Marco Frei)

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