Kultur

Yosemeh Adjei (rechts) in der Titelrolle und Michaela Schneider als Eurydike. (Foto: Jochen Quast)

28.09.2012

Der doppelte Orpheus

Am Theater Regensburg verbindet Regisseur Peter Lund die Kantate von Weill mit der Oper von Gluck

Am Ende des Neuen Orpheus gibt es die Kugel für den Komponisten und Eurydike macht sich mit ihrem Koffer davon. Am Ende des alten Orfeo herrscht eitel Sonnenschein und man feiert mit Euridice ein „lieto fine“. Kein Wunder, die Uraufführung war an Kaiser Josephs II. Geburtstag.
Das Theater Regensburg spannte zur Saisoneröffnung und zum Einstand des neuen Intendanten Jens Neundorff von Enzberg zum ersten Mal die Kantate von Kurt Weill (1924) und die Gluck-Oper in ihrer ersten, italienischen Fassung zusammen. Das Großstadtstück von der missglückten Weltbeglückung und -erlösung mit der opera seria und dem göttlichen Gunstbeweis zum glücklichen Schluss.


Stringent und schnörkellos


Dieser doppelte Orpheus war eine kluge, interessante Kombination, attacca nacheinander die beiden Stücke, das lustige und das traurige und beides nur zwei Stunden lang. Der junge Kurt Weill und sein Librettist Iwan Goll hatten Der neue Orpheus als „curtain raiser“ für ihr Musical Royal Palace gedacht, Weill war von der eigenen Partitur begeistert.
Erst zum 100. Geburtstag des Künstlers hat sie die BBC bei ihrem Londoner Weill-Festival wieder ins Gedächtnis gebracht: ein typisch expressionistisches Thema vom Moloch Großstadt und der unerlösten Menschheit. Dazu sitzt der unablässig komponierende Orpheus in seiner Klause, eine Erzählerin im Straßencanyon auf dem Koffer. Die singt (mit glasklarem Sopran, spielerisch wie stimmlich sehr glaubwürdig: Michaela Schneider) vom Elend der zerstörten Natur, vom Elend des Komponisten, der sich für Kriegervereine und Vorstadtkinos die Finger wund schreibt. Und von Eurydike, die im roten Kleid am Berliner Schlesischen Bahnhof wartet – als „unerlöste Menschheit“. .
Weills Musik zitiert zu diesem Künstlerschicksal neuklassische Koloraturen, virtuoses Geigenspiel, Generalmusikdirektor Tetsuro Ban lässt sein Philharmonisches Orchester kompetent, auch ein bisschen unauffällig begleiten und macht die Vielschichtigkeit dieser Musik deutlich. Nach dem 15-Minuten-Appetizer folgt dann Gluck und mit ihm Neundorffs Reverenz an die neue Heimat Oberpfalz: ein antik-barocker Testfall aufs Eheglück. Der neue Orpheus ist auch der alte: mit Yosemeh Adjei attraktiv besetzt, spielfreudig, schlank, mit gewöhnungsbedürftigem Counter-Timbre, stets glaubwürdig in Überschwang und Verzweiflung. Peter Lund erzählt als Regisseur die Geschichte stringent, konzentriert und schnörkellos im sparsam dekorierten Bühnenraum, der viel Luft lässt für Glucks lautmalerische Furien-Musik und für bukolische Gefühle. Dazu sitzt das Höllenpersonal in den Proszeniumslogen. Amor darf im Petticoat Schicksal spielen und das infame Spiel der Götter mit dem Menschenpaar lenken. Das mag Lund nicht hinterfragen: Auf das Schwarz der Hölle folgt in Weiß das putzige Happy End dieses Eheratgebers. Kein Wunder, dass Gluck das auf Dauer nicht so stehen lassen wollte: Reform und Revolution folgen. (Uwe Mitsching)

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