Kultur

Nicht als Haudrauf, sondern als Poser gibt Jakob Gessner den Siegfried. (Foto: Arno Declair)

02.04.2015

Der Drachentöter als hyperaktiver Schwertfuchtler

"Siegfried" als schrille Sagen-Sause am Volkstheater

Dieser Siegfried rockt das Volkstheater: „I’m Dynamite“, röhrt er zu den Klängen der Band Fafnir Club. Manchmal rappt der blonde Recke auch, und am Ende trällert er ein Piaf-Chanson, um uns wissen zu lassen, dass er nichts bereut: „No, je ne regrette rien.“
Bereuen muss es auch der Zuschauer nicht, diese Singspiel-artige Germanen-Gaudi erlebt zu haben. Hausherr Christian Stückl, der bei Feridun Zaimoglu und Günter Senkel eine Neufassung des Siegfried-Stoffs in Auftrag gab, hat die alte Geschichte vom Drachentöter als grellen Mythen-Stadl inszeniert. Als schrille Sagen-Sause, irrwitzig überdrehte Farce und quietschfidelen Comic-Strip.
Schon der Drache sieht so naiv-realistisch aus, als sei er einem Bilderbuch entkrochen. Und weil Siegfried ein niederländischer Königssohn ist, tritt seine Mutti als Klon von Königin Beatrix auf. Ganz zu schweigen von den anderen Witzfiguren, die auf dem grauen Plastikfelsen-Bühnenbild rumstolpern: Schmied Mimer ist ein verwuschelter Hippie im Zottelpelz, König Gunther von Burgund erweist sich als seifiger Maître de Cuisine mit Kochhaube, der seinem Gast Burgunder kredenzt (was sonst). Und Hagen kommt mit Zauselbart und Flügelhelm daher wie ein Germanenklischee des 19. Jahrhunderts.
Einen der vielen Vögel dieses vogelwilden Polter-Abends schießt Meisterkomödiant Robert Joseph Bartl ab als voluminöse Brunhild mit blonder Zopfperücke.
In der Titelrolle kann sich Jakob Gessner als mythischer Zappelphilipp entfalten. Sein Siegfried ist weniger ein Haudrauf, sondern eher hyperaktiver Schwertfuchtler und Poser. Mit staunend aufgerissenen Augen rempelt er durch die Welt – und macht schon mal für sein Schwert Reklame: „Balmung schneidet nicht nur sauber, sondern rein.“ Der Clou bei all dem ist, dass Gessner eben nicht einen Helden darstellt, sondern einen Heldendarsteller: die augenzwinkernde Karikatur eines kraftstrotzend naiven Kindes mit Harnischhosen und nacktem Oberkörper.
Von der Vielschichtigkeit, den dunklen Untertönen, die dem Text bei aller Komik eigen sind, lässt Stückls radikalhumoristischer Zugriff (der bloß im Rhythmus manchmal holpert) wenig übrig. Das ist so legitim wie trickreich. Denn während man sich prächtig amüsiert über diese durchgeknallte Recken-Revue, stellt sich sowas wie ein absichtsloser Verfremdungs-Effekt ein. Das epische Kasperl-Theater, das so entsteht, gewinnt gerade in seiner Künstlichkeit der Geschichte etwas seltsam Ursprüngliches zurück, weil Stückls groteske Übertreibungen als Äquivalent der inhaltlichen Übertreibung erscheinen, die zur Natur des Mythos gehört, in seiner naiven, authentischen Form. Auch insofern war’s ein „sagenhafter“ Abend. (Alexander Altmann)

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