Kultur

Die sogenannten Kaisermäntel Heinrichs II. entstanden tatsächlich während dessen Regierungszeit und nicht erst später, wie bislang oft angenommen wurde. (Foto: Pressestelle Erzbistum Bamberg)

23.10.2020

Des Kaisers Gewänder – neu gesehen

Ein interdisziplinäres Forschungsprojekt datiert die legendären Textilien im Bamberger Diözesanmuseum und fördert Neues über deren Entstehung zutage

Die sechs Kaisergewänder, die in der Dauerausstellung des Bamberger Diözesanmuseums zu sehen sind, sind kunsthistorisch von hoher Bedeutung und Singularitäten (hoch)mittelalterlicher Textilarbeiten im europäischen Raum. Immer wieder wurden verschiedene Auffassungen vertreten, wo sich der Herstellungsort dieser Textilien befand, wie dieselben gefertigt wurden und wie man die jeweilige Datierung der einzelnen Stücke bestimmen könnte. Vor fünf Jahren hat sich ein Forschungsteam zusammengefunden, um als von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziertes Projekt diesen bislang offenen Fragen möglichst präzise auf den Grund zu kommen: Tanja Kohwagner-Nikolai, Sibylle Ruß, Anne Dauer und Ursula Drewello haben sowohl bezüglich des blauen als auch des weißen (beziehungsweise roten) Kunigundenmantels, des Sternenmantels, des Bamberger Rationale, der Tunika sowie des Reitermantels grundlegend neue Erkenntnisse zutage gefördert. Durch den interdisziplinären Ansatz (Kunstgeschichte, Textilrestauration, Naturwissenschaft und Grafik) lag eine Ausstellung im Bamberger Diözesanmuseum zu den Forschungsergebnissen nahe: Sie vermittelt anschaulich und verständlich die neuen Einsichten.

So ist das Bamberger Rationale (eine päpstliche Ehrenbezeigung an einen Bischofssitz in Form eines über die Schultern zu legenden Textils) nun mit seiner Entstehungszeit aus dem frühen 11. Jahrhundert als das älteste seiner Art überhaupt geklärt. Die Anfertigung des Reitermantels, die bislang auf die Zeit um 1200 oder später angesetzt wurde, konnte nun ebenfalls auf das frühe 11. Jahrhundert rückdatiert werden, ebenso die Tunika sowie die beiden Kunigundenmäntel. Für den Sternenmantel hatte sich eine solche Datierung schon seit geraumer Zeit als sehr wahrscheinlich dargestellt und wurde nun durch die neuen Forschungen bestätigt.

Die Erkenntnisse sind insofern aufsehenerregend, weil entgegen bisheriger Einschätzungen alle sechs Bamberger Kaisergewänder auf die Regierungszeit von Kaiser Heinrich II. (1002 bis 1024) bestimmt werden können, was in puncto Authentizität der Objekte und des damit einhergehenden kulturellen Stellenwerts ein nennenswerter Gewinn ist.

Weswegen die Kaisergewänder bislang so unterschiedlich datiert wurden, liegt vorrangig daran, dass sie bereits im ausgehenden Mittelalter immer wieder umgearbeitet wurden und daher die ursprünglichen Materialien mitunter schwer greifbar sind. Sehr plastisch werden die Forschungsergebnisse am Sternenmantel: Durch einen Vergleich mit der sogenannten Ewaldi-Decke (zweite Hälfte 10. Jahrhundert) aus der Kölner Kirche St. Kunibert lassen sich anhand der Ausgestaltung von Schriftzügen beziehungsweise Einzelbuchstaben sehr klare Bezüge feststellen, die auf eine gemeinsame Wurzel der (variierenden) Schrifttypen in Form der Reichenauer Buchmalerei (10./11. Jahrhundert) hinweisen.
Außergewöhnlich, geradezu spektakulär war auch der Befund, dass bei den sechs Kaisermänteln auf drei Objekten Vorzeichnungen nachweisbar wurden: Pulverisierte weiße Substanzen wie etwa Knochenmehl ließen sich auf den Stoffen biochemisch eindeutig verifizieren. Herausragend sind auch die Erkenntnisse in Bezug auf die verschiedenen Techniken, mit denen die Goldstickereien auf den Kaisergewändern ausgeführt wurden.

Die Sonderausstellung Bamberger Kaisergewänder unter der Lupe gewährt einen neuen, faszinierenden Blick auf diese exquisiten Exponate und bietet eine in dieser Form nicht wiederholbare Möglichkeit zum besseren Verständnis wie zum ästhetischen Genuss dieser Textilien, da die Vergleichsstücke als externe Leihgaben sowie die detaillierten und gut verständlichen Visualisierungen nach der Sonderausstellung abgebaut werden. (Matthias Scherbaum)

Information: Bis 10. Januar. Diözesanmuseum, Domplatz 5, 96049 Bamberg. Di. bis So. 10-17 Uhr. www.dioezesanmuseum-bamberg.de

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