Kultur

Zeitlose Schönheit dank Zauberelixier: Elaine Ortiz Arandes als Emilia (links). An ihrer Seite John Pickering (Vítek) Thérèse Wincent (Christa) und Robert Sellier (Janek). Die Kostüme tragen das Modelabel „Talbot Runhof“ – es ist die erste Arbeit der Münchner Couturiers für eine Oper. (Foto: Hermann Posch)

26.03.2010

Die letzten Tage einer 300-Jährigen

Leos Janáceks „Die Sache Makropulos“ wird am Gärtnerplatztheater enthusiastisch gefeiert

"Die Sache Makropulos" gehört zu jenen Werken, bei denen man in der Pause frische Freikarten ausgeben könnte. Das Münchner Publikum hat in den acht Jahrzehnten seit der ersten Begegnung mit dem großen tschechischen Komponisten Leos Janácek (1854 bis 1928) keinen Zugang zu seinen Opern gefunden, nur Kubelik/Rennert konnten 1970 mit "Jenufa" die Abstimmung mit den Füßen Richtung Nationaltheater wenden. Man wünschte, die Opernfreunde würden nun ebenso die Mühe von David Stahl und Ulrich Peters lohnen, trotz der Mühe, die sie sich mit dem komplizierten Werk machen müssen. Janácek spürt hier wie nirgendwo sonst in seinem Œuvre so bewusst dem Unwirklichen und Irrationalen nach wie in der Gestalt der 300-jährigen Femme fatale Emilia Marty, unangetastet in Jugend und Schönheit. Ein Elixier ihres Vaters hat die Zeitüberschreitung ermöglicht; er wirkte als Alchimist am Hof von Rudolf II. und ließ es auf kaiserliches Geheiß seine Tochter verkosten. Die Oper lässt uns Zeuge ihrer letzten Erdentage werden. Emilia, ruhelos durch Zeiten und Räume wehend, muss jenes Rezept in einem Erbschaftsprozess wiedererlangen, da selbst die Frist ihres Lebens abgelaufen ist. Sie muss ihr Geheimnis preisgeben, ihre Katharsis lässt sie auf das künstliche Leben verzichten und den natürlichen Tod bejahen: Der Sieg der Seele über die Retorte – im Genzeitalter nicht mehr nur Vision wie im Uraufführungsjahr 1923. Und diese Coda weitet Janácek zu einer schier wagnerisch dimensionierten Erlösungsszene. Hier gönnt er seiner „Heldin“ hymnische Ekstatik, Elaine Ortiz Arandes dankt ihm mit gefühlsdurchtränktem leuchtenden Sopran. In den ersten beiden Akten zwingt den Komponisten das Libretto mit seinen Paragrafen befrachteten Diskussionen und den wilden erotischen Ambitionen der Emilia Belagernden oft zu rezitativischer Musik in permanenter Erregung, zu wuseliger Kleinmotivik. Doch immer wieder brechen hochaffektive Kantilenen auf, Puccini nahe, wenn auch ohne dessen langen Atem. David Stahl und das höchst engagierte Orchester musizieren diese technisch wie expressiv ungemein vertrackte Partitur souverän, die Herren und die mädchenhafte Christa der Thérèse Wincent meistern ihre anspruchsvollen Partien erstaunlich. Dieter Richter baute reale Räume für die vordergründige Tatort-Story, das Kafkaeske bricht mit Lichteffekten und Projektionen ein. Ulrich Peters erzählt plausibel und ohne allzu individuelle Charakterisierung der balzenden Männer die Geschichte, den dämonischen Hintergrund ließ Elaine Ortiz Arandes ahnen. Der Besuch der sehr alten Dame wurde geradezu enthusiastisch gefeiert. Hoffentlich weilt sie länger als 1988 im Nationaltheater. Damals konnte selbst Hildegard Behrens das Publikum nur sieben Abende locken. (Klaus Adam)

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