Kultur

„Dame vor dem Spiegel“ (hier ein Ausschnitt) von Ferdinand Freiherr von Lütgendorff-Leinburg wurde 1942 in der Galerie Wolfgang Gurlitt in Berlin erworben. Der Stempel „Wien“ auf der Rückseite verweist auf eine Versteigerung im legendären österreichischen Auktionshaus Dorotheum. (Foto: Museum im Kulturspeicher, Andreas Bestle)

05.10.2018

Die mühsame Suche nach jüdischem Kulturbesitz

Die Städtische Sammlung Würzburgs hat untersucht, welche Gemälde unter die Rubrik Raubgut fallen

Die Ausstellung im Würzburger Kulturspeicher nennt sich Herkunft & Verdacht. Sie ist der Provenienzforschung von Bildwerken gewidmet, die 1941 bis 1945 für die Städtische Sammlung Würzburgs erworben wurden. Denn der damalige Galeriegründer Heiner Dikreiter konnte in kurzer Zeit einen Bestand von rund 5000 Gemälden, Skulpturen und Papierarbeiten mit finanzieller Unterstützung der nationalsozialistischen Machthaber zusammentragen – meist von Künstlern selbst oder ihren Erben oder über sein gutes Netzwerk, aber auch aus dem Kunsthandel.

Viele Dokumente zerstört

Wenn sich unter einem solchen Konglomerat Werke aus einst jüdischem Besitz befinden, ruft das die Provenienzforschung auf den Plan. Die Historikerin Beatrix Piezonka hat deshalb in geradezu detektivischer Arbeit zwei Jahre lang Rückseiten von Gemälden untersucht, Archivalien, Auktionskataloge, Inventarbücher, Kaufurkunden und dergleichen Archivalien durchforstet. Leider sind viele Dokumente im Bombenhagel zerstört worden.
Der Großteil des Bestandes stellte sich als „unbelastet“ heraus. Doch bei vier Bildern muss wohl an eine Restitution gedacht werden.
Insgesamt ergibt die Präsentation von 20 Werken und den erläuternden Texten einen guten Einblick in Kunsthandel und Kunsterwerb während der Nazi-Herrschaft, als jüdischer Besitz widerrechtlich enteignet wurde.

Unbedenkliche Exponate

Dass die 14 Gemälde des von Hitler geschätzten Malers Karl Leipold nicht unter die Rubrik Raubkunst fallen, erscheint offensichtlich. Gleiches gilt für Schenkungen von Bildern durch den Mainfränkischen Kunstverein, denn diese gehörten schon lange vor der NS-Zeit zu dessen Bestand. Auch Pilotys Bild Seni vor der Leiche Wallensteins ist als Schenkung durch die Besitzer infolge eines Leibrentenvertrags an die Stadt Würzburg unverdächtig, und die von Baurat Steyrer aus Bad Sachsa in der Weimarer Zeit erworbenen und an die Galerie gegangenen Werke sind ebenfalls als unbedenklich einzustufen, ähnlich wie die von Vater Dikreiter stammenden Bilder.
Auch Zeichnungen der gebürtigen Würzburgerin Emy Roeder gehörten zum Galeriebestand, obwohl ihre Werke als „entartet“ diffamiert wurden. Doch es gab Mutige wie den Münchner Kunsthändler Günther Franke, der im Hinterzimmer seiner Galerie in der Briennerstraße „verfemte“ Kunst aufbewahrte; von ihm erwarb Dik-reiter fünf Zeichnungen Emy Roeders.
Ganz anders sieht es aus mit Ankäufen aus dem Kunsthandel, der sich an ehemals jüdischem Besitz bereicherte. Denn die jüdische Bevölkerung war entweder gezwungen, ihr Eigentum vor der Emigration zu Schleuderpreisen an arische Nutznießer zu veräußern, oder es wurde ihr schlicht geraubt. Mit dem Kunsthändler Wolfgang Gurlitt aus Berlin war Dikreiter befreundet. Von ihm gelangten drei Gemälde an die Galerie. Nicht ausgeschlossen werden kann ein NS-verfolgungsbedingter Entzug bei dem biedermeierlichen Bild einer Dame vor dem Spiegel von Ferdinand Freiherr von Lütgendorff-Leinburg, unklar bleibt bisher auch die Provenienz der Kartoffelschälerin von Ernst Karl Georg Zimmermann.
Aber für die schöne Ölskizze von Max Slevogts Bildnis eines bärtigen Mannes (Pater Nivard) steht fest, dass sie aus dem Besitz des von den Nazis verfolgten Bruno Cassirer stammt und an Gurlitt durch eine Versteigerung 1944 gelangte.

Ungesicherte Herkunft

Ebenso ist das große skizzenhafte Fragment Die großen Kavaliere von Ferdinand von Rayski, einst im Besitz des jüdischen Kunsthändlers Hugo Perls, bei der erzwungenen Geschäftsauflösung der jüdischen Kunsthandlung Mandelbaum & Kronthal von Gurlitt erstanden, wohl als NS-Raubkunst zu beurteilen.
Bisher nur lückenhaft nachzuweisen ist die Provenienz der Mädchen mit Wasserkrügen von Rudolf Gudden; das Gemälde befand sich ursprünglich im Besitz von Ernst Levi; nach seiner Emigration kam es ins Kunsthaus von Wilhelm Ettle, der jüdisches Umzugsgut „begutachtete“.
Der „Ariseur“ Friedrich Welz aus Salzburg verkaufte an Dikreiter Slevogts Ölgemälde Die Verspottung Christi, das möglicherweise früher dem jüdischen Anwalt Spitzer gehört hatte.
Nicht ausgeschlossen werden kann, dass Hugo von Habermanns Liegender weiblicher Akt, aus der ehemals jüdischen Galerie Helbing in München in die arisierte Galerie an der Wagmüllerstraße des Nazis Jakob Scheidwimmer übergegangen, ein NS-verfolgungsbedingter Entzug ist.
Eindeutig aber ist die Provenienz bei Bildern, die aus der Münchner Galerie Zinckgraf erworben wurden. Denn das am Lenbachplatz liegende Geschäft gehörte ursprünglich der renommierten Galerie Heinemann, einer Weltfirma, die 1938 zwangsverkauft wurde und, mit Unterstützung eines Kredits von Hjalmar Schacht, an den ehemaligen Mitarbeiter Zinckgraf veräußert wurde. Drei Gemälde von Karl Heffner erwarb Dikreiter 1941 von dieser Galerie; zwei davon gehörten laut Verzeichnis zum konfiszierten Warenlager der Heinemanns, sind also zu restituieren.
Eines steht auch fest: Die Recherche nach ehemaligem jüdischen Kunstbesitz ist mit dem Erwerbungsjahr 1945 nicht abgeschlossen. Demnächst wird die Herkunft von Werken, die bis 1975 erworben wurden, erforscht. (Renate Freyeisen)

Information: Bis 24. Februar. Museum Kulturspeicher, Oskar-Laredo-Platz 1, 97080 Würzburg. Di. 13-18 Uhr, Mi. 11-18 Uhr, Do. 11-19 Uhr, Fr./ Sa./ So. und Fei. 11-18 Uhr. www.kulturspeicher.de

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