Kultur

Sadie Bennings analog fotografierte Regenbilder haben eine zart-ironische Poesie (hier ein Ausschnitt, das gesamt Foto finden Sie im Beitrag). (Foto: Chris Austin)

10.08.2018

Digitaler Stammtisch

Eine Ausstellung in der Pinakothek der Moderne zeigt, wie zeitgenössische Fotografie Öffentlichkeit abbildet

Will das Museum den Zeitungen Konkurrenz machen? Anfangs könnte es so scheinen, wenn man die „Maschine“ sieht, die in einem Ausstellungsraum der Münchner Pinakothek der Moderne vor sich hin werkelt. Das halb wuchtige, halb filigrane Ding, ersonnen vom Berliner Künstlerduo Max Pitegoff und Calla Henkel, erinnert jedenfalls an die Ausstattung einer Großdruckerei. Aber die breite, weiße Kunststoffbahn, die in Endlosschleife über Walzen des Apparates rotiert, ist nicht mit Text bedruckt, sondern mit Bildern. Mit Schnappschüssen von Regierungsgebäuden, die als Symbole der „Öffentlichkeit“ fungieren – zumindest in dieser Ausstellung.

Wo öffentlich diskutiert wird

Unter dem Titel Fotografie heute: Private Public Relations widmet sich die Schau der Darstellung, vielleicht auch der Infragestellung von Öffentlichkeit in der zeitgenössischen Fotokunst. Wobei mit Öffentlichkeit natürlich nicht nur Straßen und Plätze gemeint sind, sondern auch im übertragenen Sinn der Raum öffentlicher Debatten. Also Zeitungen, Fernsehen, Radio und eben das Internet mit seinen Foren, Blogs, Social-Media-Plattformen und wie all diese neckischen Einrichtungen heißen mögen, die im Grunde ein riesiger digitaler Stammtisch sind, weil dort jeder zu allem seinen meist eher unqualifizierten Senf dazugibt. Wer sich dergleichen aussetzt, kann schnell mal ins Rotieren kommen, insofern ist die erwähnte Rotationsmaschine nicht das schlechteste Sinnbild.
Auf dramatische Kontrastwirkungen setzt hingegen Massimo Grimaldi. Der italienische Künstler zeigt Fotos aus eher spartanischen Krankenhäusern in der Dritten Welt. Aber er zeigt diese Bilder nicht in gedruckter, sondern quasi in immaterieller Form: auf Bildschirmen. Noch dazu immer auf den allerneuesten der Firma Apple, deren Designkonzept dezidiert eine Art Reinheitsmetaphysik zelebriert, eine Anmutung des Glatten, Sauberen, geradezu Jungfräulichen betont.
Trotzdem wäre es ein Missverständnis, in diesem Werk nur die soziale Anklage zu sehen. Es steckt schon auch das Spannungsfeld der Conditio humana zwischen leiblicher Notwendigkeit und geistiger Entgrenzung ab – was umso bestürzender wirkt, als die Präsentation menschlichen Leids in Hightech-Qualität etwas latent Frivoles hat, das hier bewusst als Ausdrucksmittel einkalkuliert ist.
Die alte, analoge Form von Öffentlichkeit, nämlich den öffentlichen Raum, nimmt Sadie Benning ins Visier. Die relativ kleinformatigen Fotos der US-Künstlerin zeigen städtische Straßenszenen im Regen und wurden zudem durch die regennasse Windschutzscheibe eines Autos aufgenommen. Die dabei entstehenden Schlieren und Unschärfen erborgen den Bildern die Ästhetik impressionistischer Gemälde – und erinnern andererseits an die sogenannten Artefakte, die sich ergeben, wenn man digitale Fotos zu sehr vergrößert und so ihre Pixelstruktur sichtbar macht. Die zart-ironische Poesie dieser Regenbilder lässt jedenfalls das angestrengt wirkende Ausstellungsthema unversehens leicht bedröppelt dastehen. (Alexander Altmann)

Information: Bis 7. Oktober. Pinakothek der Moderne, Barer Straße 40, 80333 München. Tgl. außer Mo. 10-18 Uhr, Do. 10-20 Uhr. www.pinakothek.de

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