Kultur

Daten und Datenprozesse können nicht nur visualisiert, sondern auch klanglich dargestellt werden. Till Bovermann (hier mit seiner Kollegin Katharina Hauke) erfindet dazu Instrumente. Seine wissenschaftlich-künstlerischen Interventionen präsentiert er auch live. (Foto: Mila Moisio)

03.03.2023

„Diversität ist mir wichtig“

Till Bovermann über den neuen Studiengang Sound Art an der Münchner Musikhochschule und die Kunst, Daten zu sonifizieren

Till Bovermann ist Professor für einen neuen Master- studiengang an der Hochschule für Musik und Theater München (HMTM): Sound Art. Ein Kuriosum und zugleich vielleicht das nötige Novum an der eher am Traditionellen orientierten Hochschule. Das neue Fach mit einer neuen Kunstform ermöglicht auch veränderte Strukturen und andere Arbeitsweisen.

BSZ Herr Bovermann, ganz einfach gefragt: Was ist Sound Art?
TILL BOVERMANN Ganz klassisch gesehen ist es die künstlerische Beschäftigung mit Klang. Und diese künstlerische Beschäftigung mit Klang schließt Musik mit ein beziehungsweise eher nicht aus. Sound Art klingt gemeinhin nach Medienkunst; ein für mich schwieriges Wort, denn ich will mich nicht mit Klängen als Selbstzweck beschäftigen, sondern mich durch Klänge ausdrücken, um zum Beispiel gesellschaftspolitisch relevante Themen zu bearbeiten.

BSZ Es geht also darum, sich mit den Funktionen und Wirkweisen von Klang in unserer Gesellschaft zu beschäftigen?
BOVERMANN Sound Art kann sich mit der Phänomenologie von Klang beschäftigen. Sie kann aber auch Klang verwenden, um andere Thematiken umzusetzen und zu präsentieren. Schließlich kann Klang als eine abstrakte Form aufgefasst werden. Eine Klangarbeit muss nicht zwingend etwas sein, was man hören kann.

BSZ Das ist eine radikal andere Idee als das, was in vielen anderen Studiengängen an der Münchner Musikhochschule unterrichtet wird. Was verschlägt Sie nach München?
BOVERMANN Der Grund, warum ich hier bin, ist, dass die Hochschule explizit jemanden mit einem Hintergrund in digitaler künstlerischer Arbeit gesucht hat. Ich bin promovierter Informatiker. Meine Stärke liegt daher gerade in generativen Arbeiten, die sich mittels Computern und Rechnern mit Digitalität auseinandersetzen und in denen ich auch zeitgenössische Themen umkreise, wie zum Beispiel die Künstliche Intelligenz. Es ist wichtig, solche Themen auch kritisch zu hinterfragen und nicht planlos auf diesen Hype um die KI aufzuspringen. Gerade darum bin ich auch aktives Mitglied der Bioart Society in Helsinki, die sich viel mit der künstlerischen Auseinandersetzung mit mikrobiologischen beziehungsweise genetischen Verfahren und deren Implikationen beschäftigt. Das kann alles im Sinne der Sonifikation, also der Hörbarmachung von Datenprozessen, mit Klang zu tun haben.

BSZ Wie, glauben Sie, kommt das in der HMTM an?
BOVERMANN Diese Hochschule hat lange Traditionen. Hier gibt es viele Menschen, die Dinge so machen, wie sie schon lange gemacht werden, was ich durchaus auch an vielen Stellen gut und richtig finde. Aber ja, der Schritt in die Digitalisierung ist revolutionär. Er ist wichtig für die Münchner Musikhochschule und für die Kunst- und Musikausbildung insgesamt. In München bin ich schon noch der „Bunte“, aber ich bin nicht der einzige. Neben neuen Studiengängen wie Digitale Kommunikation in der Musik- und Entertainmentbranche oder Kulturjournalismus entwickelt sich die Hochschule in den Bereichen Digital Performance und künstliche Intelligenz in der Musik weiter. Auch in den traditionelleren Studiengängen werden neue Unterrichtsinhalte, neue Formate und Methoden erprobt.

BSZ Es gibt jetzt ein eigenes Experimentalstudio für Sound Art.
BOVERMANN Ja, das ist superschön, mittlerweile sehr gut ausgestattet und demnach auch gut von unseren Studierenden angenommen. Natürlich wissen viele an der Hochschule noch nicht, dass es dieses Studio gibt. Durch meine künstlerisch-wissenschaftliche Sozialisation in Bielefeld, einer jungen Universität von 1968, kenne ich das anders. Die Universität war damals ein einzelnes großes Gebäude, und man lief sich gezwungenermaßen über den Weg.

BSZ Eine quasi natürliche Interdisziplinarität also?
BOVERMANN Genau. Ich vernetze mich gerne. Aber es gibt viele Menschen, die sich durch Abgrenzung definieren. Das vergesse ich oft.

BSZ Also sollen sich Studierende bewerben, die, was die Genres angeht, offen mit Klang umgehen wollen?
BOVERMANN Offenheit und Diversität sind mir wichtig. Es ist ein kleiner Studiengang, wir nehmen nur wenige Studierende pro Jahr. Neben mir gibt es Lehrbeauftragte zum Beispiel zum geschichtlichen Kontext, zu Ästhetiken der Sound Art und auch zu Medienkompetenz. Es gibt auch einen Kurs zum Machine Learning, und zu diesem Thema wird es demnächst noch eine weitere Professur geben. Als ich hier angefangen habe, waren wir in diesem Studiengang übrigens nur Männer – was Lehrbeauftragte, Professoren und Studierende angeht. Jetzt haben wir schon einmal eine Studentin, einen Studenten mit außereuropäischem Hintergrund und eine Lehrbeauftragte. Das ist ein guter Anfang.

(Interview: Bastian Zimmermann)

Information: Die Bewerbungsfrist für den Masterstudiengang Sound Art an der Hochschule für Musik und Theater München endet am 12. März. Voraussetzungen unter https://hmtm.de/studiengaenge/sound-art

Abbildung: Der promovierte Informatiker und Künstler Till Bovermann leitet seit 1. Februar den Studiengang Sound Art. (Foto: Katharina Hauke)

 

 

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