Kultur

Anrührend und abstoßend zugleich: Landstreicher Davies, grandios gespielt von Hans-Michael Rehberg. (Foto: Ruth Walz)

04.04.2014

Ecce Homo aus der Gosse

Hans-Michael Rehberg begeistert in "Der Hausmeister" am Residenztheater

Am Anfang sieht man fast nichts. Nur eine nackte Birne funzelt neben dem Eimer, der von der Decke hängt. Dann geht das Licht ganz aus – ein, zwei Minuten ist es still. Leichte Unruhe im Publikum. Endlich wird’s heller, man erkennt eine Messie-Höhle: Annette Murschetz’ naturalistischer Guckkasten zeigt mit Zeitungsstapeln, Einkaufswägen, Kofferbergen irgendwas zwischen Rumpelkammer und Werkstatt. Riesige Schatten zucken über die Wand. Gelegentlich fällt überlaut ein Wassertropfen in den Eimer, und immer wieder ist ein helles, sirrendes Pfeifen zu hören – wie ein kollektiver Tinnitus.
Als Zwischending aus Psycho-Thriller und surrealem Traumszenario inszenierte Andrea Breth am Münchner Residenztheater Harold Pinters 1960 uraufgeführte Bruchbudengroteske Der Hausmeister. Darin gabelt der junge Aston in einem Cafe den alten Landstreicher Davies auf. Der schimpft über „Neger, Griechen, Pollacken“ und behauptet, er habe „schon von goldenen Tellern gegessen“. In Astons heruntergekommenem Haus darf er übernachten – und soll dort als Hausmeister arbeiten. Dann taucht auch noch der rätselhafte Mick auf, Astons Bruder, dem das Haus eigentlich zu gehören scheint. Zwischen den drei Figuren entwickelt sich ein kompliziertes Geflecht aus Macht, Vertrauen, Intrigen und Abhängigkeit.
So werktreu, metiersicher und konventionell, wie die vielgepriesene Andrea Breth in ihrer ersten Münchner Inszenierung das Stück des Nobelpreisträgers präsentiert, wird deutlich, dass es doch Längen hat, auf denen sich der Staub der Jahrzehnte ablagerte.
Wenn die Aufführung trotzdem nicht nur unter der Rubrik Theater-Denkmalpflege abzuhaken ist, liegt das an den hochkarätigen Akteuren, die momentweise jenen absurden Witz erahnbar machen, auf den eine Inszenierung das Schwergewicht hätte legen können.
Ein Glücksfall, dass Star-Schauspieler Hans-Michael Rehberg nach 30 Jahren ans Residenztheater zurückkehrte, wo er einst als Baumeister Solneß oder Bruder Eichmann das Publikum begeisterte. So nuancenreich, vielschichtig, wandlungsfähig erlebt man auch große Schauspieler wie ihn eben nur auf der Bühne, nicht im Film. Sein Davies ist anrührend und abstoßend zugleich, ein umwerfender, irritierender Gossen-Ecce-Homo.
Aber auch Norman Hacker als bodenständig-durchgeknallter Fiesling Mick und Shenja Lachers inniger sanfter Irrer Aston, der gelegentlich halbherzig an einem Brett rumschmirgelt, sind ein Ereignis. Heftiger Applaus für die Schauspieler. (Alexander Altmann)

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