Kultur

Schuster an der Klampfe: Albert Pesendorfer als Hans Sachs. (Foto: Olah)

21.10.2011

Ein Beatnik mischt die Noris auf

David Mouchtar-Samoreis poppige "Meistersinger von Nürnberg"

Die schlimmen Geister der Vergangenheit haben Nürnberg verlassen – zumindest in diesen neuen Meistersingern am Staatstheater. Dort steht nicht mehr der Führer in der Mittelloge und spielt man Reichsparteitag auf der „Festwiese“: Jetzt jubelt das Publikum seinem eigenen WM-Sommermärchen zu, und beim Sommernachtstraum der Johannisnacht lächelt Shakespeare milde auf das tolle Treiben herab. David Mouchtar-Samorei hat der Noris ein hübsches Bild davon inszeniert, wie sie sich selbst am liebsten sieht. Im besten Sinne populär ist das über fünf Stunden hin ausgefallen, folgerichtig dekorativ von Heinz Hauser mit fragilen Laubsäge-Versatzstücken der Pop-Art in Siebdruck ausgestattet, die bruchlos in dieses Konzept passen.
Alles Aufgedonnert-Pompöse haben diese neuen Meistersinger von Nürnberg vermieden – das gilt auch für Nürnbergs neuen Dirigenten Marcus Bosch, der drei Akte lang auf ein flüssiges Parlando setzt und die vielfältigen Nebenstimmen vorüberplätschern lässt. Das ist zwar sängerfreundlich, aber auch etwas ermüdend, denn nur eine Konversationskomödie sind Wagners Meistersinger nicht. Wenn dem Pathos von Musik und Text auf der Bühne und im Orchestergraben keine markante Dramatik gegenübersteht, kommt auch schon mal Langeweile auf.
Und was sich Mouchtar-Samorei Shakespeare-nah und Wagner-fern feinsinnig ausgedacht hat, das erreicht die Aufmerksamkeit des Publikums eher am Rande. Das Zauberkästchen von Sachs zum Beispiel, das er wie eine Büchse der Pandora in seiner Schusterstube aufbewahrt: mit den Symbolen der drei monotheistischen Religionen und mit dem Ring von Lessings Nathan-Parabel – eine Idee, die leider nicht weiterverfolgt wird. Beckmesser hat den Ring zwar genauso wie die Notenblätter des Preislieds geklaut, aber gibt ihn dann doch achtlos an Sachs zurück.

Europa schafft Harmonie

Interessant auch die konsequente Ablehnung, mit der die Schwarz-Rot-Gold schwenkende FCN-Festgemeinde Sachsens „deutsche“ Kunst quittiert: Erst Europafahnen bringen wieder Harmonie ins Schlusstableau dieses frisch-fromm-fröhlichen Familienfests.
Am schlüssigsten setzt Albert Pesendorfer das leichtfüßige Pop-Konzept um: Er ist ein sehr viriler und kraftvoll bis zur letzten Ansprache singender Beatnik, der Nürnberg ganz schön aufmischt und gerne mal zum fränkisch Klaren greift.
Tilman Lichdi ist ein idealer David. Die Freiräume, die die Regie des lockeren Zügels ihm lässt, nützt er für seine mimisch-gestisch unkonventionelle Darstellung. Mit der übertrifft er auch in der Publikumsgunst den soften Schönling Stolzing, den Michael Putsch mit viel Technik und noch mehr Interesse für seine blonde Haartolle über die Runden bringt.
Kaum eigene Impulse (auch sängerisch) kommen von den beiden neuen Frauen im Ensemble: hübsch gelockt die Eva von Michaela Maria Mayer und meist mit verschränkten Armen die Amme (Leila Pfister). Ein durchaus als Heiratskandidat geeigneter, junger Beckmesser (Jochen Kupfer mit aller wünschenswerten ,Bariton-Geschmeidigkeit) muss sich in gelben Strümpfen wie Malvolio oberlehrerhaft geben und kehrt am Ende doch gerne ins bunte, leichtlebige Nürnberger Clubleben zurück. (Uwe Mitsching)

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