Kultur

Sommerurlaub geopfert, aber Kritiker entzückt: Das Symphonieorchester des BR bei den BBC Proms in der Royal Albert Hall. (Foto: Peter Meisel)

23.08.2013

Ein Sommer für die Musik

Mit den BR-Symphonikern und Mariss Jansons auf Europatour

Von William Shakespeare gibt es bekanntlich viele schlaue Sprüche. „Wenn das ganze Jahr über Urlaub wäre, wäre das Vergnügen so langweilig wie die Arbeit“, soll der englische Dichter und Dramatiker der Renaissance einst gesagt haben. Da ist sicherlich viel Wahres dran, es gibt aber auch eine Kehrseite. Fällt nämlich der Urlaub ganz aus, kann das fatale Folgen für Leib und Seele haben. Beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks (BR) fällt die Sommerpause in diesem Jahr fast komplett aus.

Denn unter seinem Chefdirigenten Mariss Jansons tourt das Ensemble seit Anfang August durch die Sommerfestivals der Klassik-Szene Europas. Neben Saarbrücken und Hamburg waren die ersten Stationen bereits die Salzburger Festspiele, die BBC Proms in London und das Festival im schottischen Edinburgh. Nach einer kurzen Pause geht es im September weiter nach Essen, Berlin und zum Lucerne Festival.

Üben auf dem Campingplatz

„Wir reisen zu den besten Festivals und zeigen unsere Kunst“, betont Mariss Jansons. „Das ist eine sehr große Verantwortung und bringt eine enorme Resonanz. Man spricht mit den Veranstaltern, es wird über die Auftritte geredet. Für das Orchester bedeutet das, sich weiter einen Namen zu machen und seine Position in der Musikwelt zu festigen. Und wenn man immer wieder kommt und toll spielt, macht das den Namen berühmt – wie bei den Wiener und Berliner Philharmonikern.“

Lange Zeit hätten diese zwei Orchester beharrlich an ihrem Image gearbeitet, auch mit solchen Sommertourneen. „Wir aber haben uns nicht oft genug eingeführt in der ganzen Welt“, so Jansons weiter – was die Musiker ähnlich sehen. „Es ist schon sehr wichtig, sich überall blicken zu lassen“, sagt Bratschistin Christiane Hörr. „Und das waren für uns so tolle Konzerte, gerade auch bei den BBC Proms in der Royal Albert Hall. Die Begeisterung und Stimmung, das beflügelt wirklich.“

Orchestervorstand und Klarinettist Werner Mittelbach pflichtet ihr bei. „Ein Konzert, wo alles funktioniert, das lässt sich ja nicht planen. Das ist für einen Musiker wie ein Geschenk. Ich denke, das war und ist eine sehr erfolgreiche Sommertournee.“ Trotzdem bleibt die Tatsache, dass es in diesem Jahr für die BR-Musiker kaum eine Sommerpause gibt. Dabei ist eine Zeit der Regeneration und Erholung zwischen den Spielzeiten ganz wichtig.

„Ja, das ist richtig. Ich sage es ganz ehrlich, mein Sommerurlaub geht dafür drauf“, pflichtet Mittelbach bei. Für Familien mit Kindern ist das ein besonderes Problem. „Deswegen haben wir entschieden: Wenn schon die Sommerpause mehr oder weniger geopfert werden muss, dann sollten zumindest die anderen Ferienzeiten planungsfrei bleiben – etwa die Pfingstferien. So kann man mit der ganzen Familie zu Pfingsten in den Urlaub fahren. Das sind Kompromisslösungen, die man machen muss“ – zumal die Musiker bei der Entscheidung eingebunden waren.

„Das Orchester wurde vorher gefragt, ob wir so eine Sommertournee wieder machen wollen“, berichtet Hörr. Zuletzt ist das BR-Symphonieorchester vor sechs Jahren durch die Sommerfestivals getourt. „Wir haben uns mehrheitlich dafür entschieden. Das kommt ja auch nicht so oft vor. Und es gibt natürlich dafür einen Ausgleich, wir haben zu anderen Zeiten frei.“ Indessen ist eine Sommertournee durch Europa auch organisatorisch ein Kraftakt, immerhin möchten rund 265 Menschen gut untergebracht sein.

„Die Hotelbuchungen beginnen in der Regel zwölf bis 18 Monate im Voraus, bei den Flügen sind es ungefähr elf Monate“, berichtet Isabella Mayer vom künstlerischen Betriebsbüro. Um sicherzugehen, dass nichts schiefgeht, hat sich Mayer im Mai 2012 vor Ort in Edinburgh umgesehen. „Wo können die Busse halten? Gibt es Restaurants und Supermärkte in der Nähe? Sind die Hotels ruhig gelegen? Wie weit ist es zum Konzertsaal und wie kommt man hin? Auf solche Fragen achte ich, das muss alles reibungslos klappen.“

Sonst aber sind Sommertourneen zwischen Spielzeiten gerade für Bläser eine enorme Belastung. Sie können das Instrument kaum aus der Hand nehmen, denn für den Ansatz muss man stets dranbleiben. Deswegen hat Solo-Hornist Carsten Carey Duffin sein Instrument mit auf den Kurztrip genommen, als er mit seiner Freundin im Juli beim Grand Canyon in den USA campte. „Das war ganz lustig, und die anderen Camper hatten nichts dagegen, dass ich inmitten der Natur ins Horn blies“, berichtet der 26-Jährige. „Die fanden das sogar ganz stimmungsvoll. Ich wollte und musste einfach üben, um für die Sommertournee fit zu sein und das Beste geben zu können.“ Und das haben alle BR-Musiker: Jedenfalls waren die Kritiker in London und Edinburgh aus dem Häuschen. Die Zeitung The Guardian rechnete den Klang des Orchesters zum „kultiviertesten in Europa“, und für Michael McManus vom renommierten Musikmagazin Gramophone waren die BR-Musiker besser als alle Klangkörper in London.
„Die Resonanz auf unsere Konzerte war wirklich großartig“, freut sich Mittelbach. „Die Veranstalter wollten uns alle am liebsten gleich wieder haben. Das zeigt, dass wir uns entsprechend platzieren konnten – auch im internationalen Vergleich.“ Deswegen kommt die nächste Sommertournee bestimmt. „Ich denke, wir werden uns Gedanken machen, wann und ob wir das wiederholen“, bestätigt Mittelbach. Allerdings hat er einen Wunsch: „Für uns wäre es ideal, wenn die sommerlichen Schulferien in Bayern anders lägen – nicht so spät. Das ist der eigentliche Grund für unsere Probleme mit den Sommertourneen.“ (Marco Frei)

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