Kultur

In Öl malte Tiepolo „Rinaldo und Armida im Zaubergarten“. (Foto: BPK/Jörg Anders)

18.12.2020

Emotionen pur

Das Martin von Wagner Museum in Würzburg stellt seine Tiepolo-Ausstellung mit laufend neu produzierten Videos ins Netz

Drei Jahre, von 1750 bis 1753, weilte Giambattista Tiepolo in Würzburg und schuf im Treppenhaus der Residenz das größte freitragende Deckenfresko der Welt. Was wäre die Stadt heute ohne diese kulturelle identitätsstiftende touristische Attraktion? Dass aber hinter der künstlerischen Leistung des Venezianers auch immenser Fleiß und ständige Übung stecken, zeigt die anlässlich des 250. Todesjahrs des Meisters veranstaltete Ausstellung Der Arbeit die Schönheit geben im Martin von Wagner Museum der Universität.

Tiepolo war in seiner Würzburger Zeit nicht nur an den Wand- und Deckengemälden unermüdlich tätig und mit der Organisation des Ganzen beschäftigt, er zeichnete auch viel: Vorlagen für Köpfe, Körper, Gewandfiguren, Studien zu Bewegungen oder szenische Kompositionen. Er setzte verschiedene Techniken ein, benutzte mal Tusche, Rötelstift oder Kreiden, zeichnete meist auf eingefärbten Papieren. Aber nicht nur der Meister hinterließ ausdrucksstarke Blätter, sondern auch sein Sohn Giandomenico und Mitglieder seiner Werkstatt wie Georg Anton Urlaub; seine Mitarbeiter pausten häufig seine Vorlagen ab oder kopierten sie, um schnell auf sie zurückgreifen zu können, während sie die Fresken fertigten.

Vorrat in petto

Tiepolo hatte also immer einen Vorrat von Figuren und Szenen in petto. Seine Phantasie, seine vielfältigen Einfälle und die Freiheit seines künstlerischen Tuns manifestieren sich aber ebenso in den locker lavierten Tuschzeichnungen sowie in den ohne erkennbaren Anlass entstandenen Radierungen, etwa den rätselhaften Capricci oder den Blättern zur Flucht nach Ägypten. Viele der eher für den privaten Bereich gedachten Blätter weisen über die Werkstatt-Bindung hinaus, bezeugen den unbedingten Drang zu künstlerischer Freiheit – und die konnte Tiepolo trotz des Großauftrags für die Residenz frei ausleben.

Dieses üppige Konvolut von zeichnerischen Schöpfungen – etwa 100 vorwiegend aus dem Besitz des Museums sind in der Ausstellung zu sehen – ist wohl meist während der Wintermonate entstanden, wo das Freskieren kaum möglich war. In der kalten Jahreszeit entstanden auch Ölgemälde, so etwa Pendant-Bilder mit mythisch-dichterischen, historischen oder biblischen Themen. Drei Bildpaare belegen Tiepolos Könnerschaft auch in der Ölmalerei. Von der Thematik „Rinaldo und Armida“, dem Liebespaar im Zaubergarten und beim schmerzlichen Abschied, sind in den Räumen des Martin von Wagner Museums die etwas kleineren Bozzetti, also Vorstufen zu den Gemälden, zu sehen – letztere hängen einen Stock tiefer in den Staatsgemäldesammlungen der Residenz. Doch auch in den kleineren Versionen fasziniert die bewegte Komposition der emotional aufgeladenen Szene. Auch die Bildpaare aus der römischen Frühgeschichte mit Coriolan und Mucius Scaevola und aus dem Alten Testament mit Esther und Abigail spiegeln eindringlich zwischenmenschliche Dramatik.

Tugendhafte Heldinnen

Dass Tiepolo vor allem mit der Gestaltung von Gesichtern die Nähe zum Menschen eindringlich spürbar zu machen versuchte, belegt neben den vielen wunderbar ausdruckskräftigen Köpfen auf seinen Zeichnungen auch das schöne Gemälde Kopf eines älteren Orientalen.

Auffällig ist, dass Tiepolo durch die Lichtführung auf seinen Pendant-Bildern die Frauenfiguren besonders akzentuiert und hervorhebt als Heldinnen von tugendhaftem Verhalten. Untermalt werden diese Interpretationen durch prachtvolle, fließende Gewänder und die emotionale Ausstrahlung der Dargestellten.

Was an den Arbeiten von Tiepolo und seiner Werkstatt so beeindruckt, sind das stete Ringen um die passende Form und der Erfindungsreichtum des Meisters. Davon ließen sich auch sein Sohn und der Maler Urlaub anstecken. Dessen eigene Gemälde aber wirken im Vergleich zu Tiepolo viel schwerer und lassen das Schwebende, Leichte und den dramatischen Bildaufbau des großen Venezianers vermissen.
(Renate Freyeisen)

Das zeichnerische Werk Tiepolos lässt sich auch im Buch zur Ausstellung studieren. Es zeigt alle Zeichnungen aus dem Besitz des Martin von Wagner Museums, die als Arbeiten von Giambattista und Giandomenico Tiepolo identifiziert sind. Damian Dombrowski (Hrsg.), Der Arbeit die Schönheit geben. Tiepolo und seine Werkstatt in Würzburg, Deutscher Kunstverlag, Berlin, 312 Seiten, 290 Abbildungen,
39,90 Euro. ISBN 978-3-422-98598-8

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