Kultur

Rudolf Bott experimentiert mit Form und Material. Seine Tische haben dann schon auch einmal Zacken und Kanten, die zu respektvoller Vorsicht mahnen. (Foto: Erich Spahn)

12.02.2021

Erstarrte Momente

Rudolf Bott lotet die Grenzen von Material und eigenem Können aus. Die Galerie Zink in Waldkirchen zeigt diese bizarren Werkstücke

Auch wenn einer mal in Deutschlands Schmuckhauptstadt Pforzheim gearbeitet und als Professor gelehrt hat, muss er nicht bei der Arbeit an Ringen, Colliers und Ohrsteckern bleiben: Rudolf Bott wollte „plus quam“ (mehr als) und sagt heute: „Bis dahin haben die Schmucksteine etwas mit mir gemacht, heute mache ich etwas aus dem Stein.“ Er will dem Wesen seines Materials gerecht werden, experimentieren und auskundschaften, was denn ein Tisch, eine Kanne sein kann. Und hat in den letzten Monaten für seine Ausstellung bei Michael Zink im oberpfälzischen Waldkirchen die Probe aufs Exempel gemacht, wie sich seine Kunst und sein Handwerk als gelernter Gold- und Silberschmied miteinander verschmelzen lassen.

Faible für Werkzeuge

Bott wurde 1956 in Stockstadt am Main geboren, absolvierte in Hanau seine Ausbildung bis zur Goldschmiede-Meisterprüfung, danach studierte er in München. Schon ab 1989 heimste er viele Preise in Hessen und Bayern ein; unter anderem erhielt er 1990 den Ehrenpreis der Danner-Stiftung und später zweimal den Bayerischen Staatspreis.

Als ihm und seiner Familie der Verkehrslärm am Mittleren Ring in München zu viel wurde, ist er nach Neuburg an der Donau gezogen („Eine schöne, wunderbare Zeit“), jetzt lebt er in einem umgebauten Schulhaus gleich neben der Kirche von Kirchbuch zwischen Beilngries und Denkendorf. Dort hat er sich mit einer Fülle von Werkzeugen breitgemacht: mit Ambossen, Maschinen, Brennöfen, im ersten Stock mit einer Mischung aus Wohnung, Atelier, Schlafzimmer, Bad. Dazwischen entdeckt man Bücher, CDs von Bach und Beethoven bis zu den Beatles, Pläne und fertige eigene Kunstwerke.
Man glaubt Bott sofort, wenn er sagt: „Ich liebe die Werkzeuge heiß und innig.“ Und zwischen Löt- und Glühraum mit der Gussanlage, Ziehbank, Fräsmaschine und „einer Presse mit der Gewalt von 200 Tonnen kommt man sich vor wie im Nibelungen-Rheingold oder im Fegefeuer“: „Besonders fette Kohlen“, sagt Bott, machen die 1000 Grad, die er braucht.

Ein Künstler wie Bott ist der richtige für den Galeristen Michael Zink, für den das plus quam … auch immer die Devise ist – und deshalb hat er die Bott-Ausstellung auch so benannt. Für den Schmuckdesigner Karl Fritsch aus Neuseeland und dessen Ringe hatte Zink zuletzt eine Art Carrera-Rennbahn gebaut. Jetzt stellt er drei Tische von Bott in den Mittelpunkt der Galerie. Und stellt drei modisch orangefarbene Quader aus Holz daneben, die zeigen sollen, welches Raumvolumen so ein Tisch umfasst.

Profane Möbelstücke sind Botts Tische keinesfalls: Sie sind Proben aufs Exempel, was man aus Aluminium, Stahl und Holz machen kann. Bott reizt mit ihnen aus, wie viel künstlerische Potenz das Material und seine handwerklichen Fähigkeiten haben. Oder ob Zink den eine Tonne schweren Stahltisch ins Obergeschoss der Galerie hieven kann. Jeder der drei Tische ist für Bott ein Experiment: Sind sie Handwerk oder Kunst?
Was ist ein Tisch überhaupt? Bott schneidet aus den beiden Längsseiten einer großen Stahlplatte aus, was um 90 Grad gebogen zu Tischbeinen wird: Tisch-Tektonik wie bei einer Kontinentalverschiebung. Zweites Experiment: der Tisch aus Eiche, wunderschön glatt mit attraktiv gemaserter Platte. Das Geheimnis dieses Tisches erstreckt sich erst darunter. Es sind verschiedene Einzelteile, die da für die Oberfläche zusammengefügt wurden und ihr individuelles Eigenleben erst nach unten entfalten: mit unterschiedlichen Längen, Ecken und Kanten – wie Stalaktiten und gefährlich für die Gäste, die dort Platz nehmen und ihre Beine unter den Tisch strecken wollen. Trotz seines skulpturalen Anscheins wünscht sich Bott, dass dieser Tisch nicht „nur ein Kunststück“ ist, sondern tatsächlich Verwendung seines Wesens nach findet.

Neue Art des Machens

In der Galerie sind Botts Tische und ihre hölzernen Quader-Verwandten die Ausstellungsfläche für aktuelle Ergebnisse seiner „Silberschmied-Denke“: Man sieht Wein- und Wasserkannen nach der Idee der alten Milchkanne mit Kühleffekt und vielleicht auch für religiöse Zwecke nutzbar, schwergewichtige Ringe für kraftvolle Hände und einen selbstbewussten Träger. Dazu geschmiedete Schalen aus feuervergoldetem Kupfer und mit einer fast malerischen Oberfläche sowie die aus Wachs modellierten und mit der Kraft von Botts Händen verformten Gefäße. In Stahl gegossen sind sie von jeder Zweckbestimmung befreit, sollen viel eher „eine neue Art des Machens“ demonstrieren: „erstarrte Momente“.

Darum geht es Bott auch beim dritten seiner Tische. In diesem treffen Schreinern, Gießen und Schmieden aufeinander, er ist aus Aluminium, 80 Kilogramm schwer und aus einem Material, das aus den Gusskanälen in einem Moment des „kontrollierten Zufalls“ ausgetreten und als eine Art Lava erstarrt ist: filigran, wie eine Landschaft auf der Tischfläche, an den Tischbeinen – wie bizarre Brüsseler Spitze. (Uwe Mitsching)

Information: Voraussichtlich bis 18. April. Galerie Zink, Waldkirchen 2, 92358 Seubersdorf i. d. OPf. Einzeltermine nach Vereinbarung, Click & Collect unter www.zink-waldkirchen.de

 

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