Kultur

Viel bürgerschaftliches Kulturengagement ist wichtig für ein gesundes Stadtklima. Das Landshuter „Stadtspektakel“ verwandelt seit 2007 alljährlich im September die Innenstadt in eine große Bühne für die Straßenkunst. Und: nein, das Mädchen wird hier nicht um einen Obolus gebeten – es kriegt vielmehr was. Die Show auf dem Trottoir ist nämlich kostenlos, wird ausgerichtet vom Verein der Lokalpatrioten. (Foto: Stadt Landshut)

17.04.2014

Falsche Bescheidenheit

Der erste Kulturbericht Landshuts kommt sehr diplomatisch daher – zwischen den Zeilen liest sich vieles sehr unmissverständlich

Die freie Szene – dafür soll Landshut das Aushängeschild Bayerns werden. In Bamberg die Villa Concordia, in Regensburg das Museum zur bayerischen Geschichte: Jetzt ist die niederbayerische Stadt dran. Das sollen zumindest die Stadtoberen in München klar machen. Ach ja, und einen neuen Konzertsaal braucht man auch – nein, keinen so pompösen wie in der Landeshauptstadt, einer für 50 Köpfe im Publikum würde reichen. Apropos Raumsuche: Der Kunstverein braucht auch endlich ein Quartier. Eine Erweiterung der Stadtbücherei wäre auch geboten. Und ein virtueller Raum ist auch vonnöten: eine Internetplattform der Stadt, auf der sich Kunstschaffende mit ihrem Angebot präsentieren, auf der sich auch um Sponsoring werben können.
Das und noch viel mehr steckt im ersten, fast 80-seitigen Kulturbericht Landshuts. Der liest sich auf den ersten Blick sehr diplomatisch, als wolle er niemanden ja nur nicht auf die Zehen treten, vor allem, weil es in der Regel ja auch um Geld geht – zwischen den Zeilen stecken aber so geballt und wohl argumentierte „Empfehlungen“, die nur schwerlich als ambitionierte Fleißarbeit in die Schubladen weggelächelt werden können.

Licht unterm Scheffel

Der Bericht sei „kein bloßer summarischer Wunschzettel“, schon gar nicht von ihnen allein, schicken die Autoren voraus: Uta Spies ist Kulturbeauftragte der Stadt, Christian Muggenthaler ist Kulturjournalist (auch der Bayerischen Staatszeitung). Was sie zusammengestellt haben, ist das Ergebnis von penibler Recherche und vielen protokollierten Diskussion. An denen nahmen Landshuter teil, die querbeet mit Kunst und Kommunikation zu tun haben: nicht nur Künstler, sondern auch Vertreter aus allerlei Vereinen und Organisationen, aus Behörden, der Jugendarbeit, der Wirtschaft, den Kirchen. Letztlich gab es öffentliche Veranstaltungen für alle, auch im Internet konnte jeder sagen, was er von der Kultur in seiner Heimatstadt hält.
Fazit: Landshut mit seinen etwa 65 000 Einwohnern im Stadtgebiet und fast 150 000 im Landkreis bietet viel mehr, als andere Städte vergleichbarer Größe – stellt sein Licht aber unter den Scheffel. Jenseits der „Landshuter Hochzeit“ geschieht sehr viel, wovon man aber weder überregional, noch – und das ist fast noch bedenklicher – regional was mitbekommt, weil es (im Musikbereich auch wegen lähmender Konkurrenz) nebeneinander her oder mit zu wenig Publicity stattfindet. Andererseits offenbart der genauere Blick Lücken.
Das Beispiel Museen, Ausstellungsorte: Allein die stadteigenen Museen sind verstreut auf drei innerstädtische (teils angemietete) Ausstellungsorte, zwei Magazine am Stadtrand und noch einmal angemietete Räume für die Museumsverwaltung. Zwei der Ausstellungsräume sind im Winter nicht ausreichend beheizbar. Einen eigenen Vortrags- und Veranstaltungsraum gibt es nicht. Wie soll bei dieser Zersplitterung ein kommunales Universalmuseum funktionieren, das sich um die sächliche Überlieferung ebenso kümmern muss wie um die Forschung zur nicht gerade ereignisarmen Geschichte der einstigen Residenzstadt? Der Bericht: Ein zeitgemäßes, eigenständiges Stadtmuseum muss her! Das Areal rund ums Alte Franziskanerkloster und den Prantlgarten könnte man ohnehin von anderweitiger Bebauung freihalten und als „Museumsquartier“ ausweisen.
Es gibt eine Fülle von Ausstellungsaktivitäten in nichtkommunaler Trägerschaft – für die der Kulturbericht die Stadt auch in der Pflicht sieht, will man an einem schlagkräftigen Image feilen. In und um Landshut wirken viele auch überregional bedeutende Künstler – Fritz Koenig, von dem die berühmte Kugelkaryatide vorm World Trade Center in New York stammt, die den legendären Anschlag (beschädigt) überstanden hat, hat unzweifelhaft den Ruf Landshuts als moderne Kunststadt besonders bekannt gemacht. Ein Großes Rufzeichen bei der örtlichen Hochschule, eine Steinrose im Hofgarten, Brunnen in der Altstadt und beim Heilig-Geist-Spital ... von König gibt es gerade in seiner Wahlheimatstadt (geboren wurde er 1924 in Würzburg) eine Menge Skulpturen im öffentlichen Raum, aber eben nicht nur von ihm. Damit deutlicher wird, wie durchdrungen das Stadtbild von Kunst ist, müsste die Stadt bloß einmal ein einschlägiges Broschürenverzeichnis erstellen. Zeitgemäß gehört da eine App mit interaktivem Stadtplan dazu. Einher gehen müsste das den Empfehlungen folgend mit einer deutlicheren Sichtbarmachung im Stadtbild: Hinweisschilder, Banner, Fahnen, Austausch der veralteteten Hinweisschilder an Baudenkmälern.
An Überlegungen, sich multimedial mehr zu präsentieren, mangelt es im Kulturbericht nicht. Gedrucktes – und zwar mehrsprachig – empfiehlt sich beispielsweise zu allen Veranstaltungsorten, in denen die Stadt ihre eigenen kulturellen Einrichtungen und die von ihr geförderten Projekte auflistet; zum kunst- und kulturpädagogischen Angebot, und zwar zielgruppenorientiert. Via Monitor am Rathaus könnten sich Passanten ständig über das aktuelle Veranstaltungsangebot informieren. Online könnte die Stadt in ihrem Namen Websites anbieten, auf denen Kulturschaffende um Sponsoren werben.

Mehr Niedrigschwelliges

Die Autoren des Berichts haben Landshuts Kulturangebot auch soziografisch abgeklopft: Eindeutig müsse jenseits der klassischen, aber eher elitären Kulturangebote mehr „Niedrigschwelliges“ für Randgruppen her, mehr, was einerseits auf Junge, andererseits auf Alte zugeschnitten ist. Bei allem Werben um mehr Sichtbarmachung, was in der Kulturstadt Landshut steckt, liest man in dem Bericht auch: nicht ohne Sensibilität! Sein historisches Stadtbild ist Landshuts Alleinstellungsmerkmal und nicht nur ein Besuchsgrund für Touristen, sondern auch der „Wohlfühlort“ für die Einheimischen: Ein Pfund, das mit dem Anbiedern an die kurzfristige Event-Kultur nicht verschachert werden sollte. Musealität ist aber auch nicht gefragt  – vielmehr Multifunktionalität.

Am Profil feilen

„Profilierung“ könnte man über das Analyseergebnis im Kulturbericht schreiben: Es geht ums Neustrukturieren, Bündeln in der Kulturverwaltung, hie und da auch um die Ausweitung. Die Kommunikation unter Kulturschaffenden, mit ihren Trägern und potenziellen Sponsoren einerseits und mit ihren Kultur-„Nutzern“ andererseits muss besser moderiert werden.
Also: Es braucht eine professionelle Marketing- und Koordinationsstelle – dem Kulturbericht zufolge eindeutig eine Aufgabe für die Stadt. Die Autoren kratzen am kommunalen Ego: „Kulturpolitik ist eines der wenigen Politikfelder, bei denen die Kommunen gänzlich Autonomie und Handlungsspielraum haben.“ Und außerdem: „Kulturförderung ist Wirtschaftsförderung.“ Gemäß des geflügelten Wortes vom gesunden Geist in einem gesunden Körper („mens sana in corpore sano“ von Juvenal): Das wirtschaftliche Umfeld Landshuts ist gesund – da darf die Kultur nicht kränkeln.
In diesem Sinne ist der Kulturbericht, der alle fünf Jahre fortgeschrieben werden soll, auch eine Art Evaluationsinstrument für die Rathauspolitik.
Freilich wollen die Autoren die vielen „Empfehlungen“ keineswegs als konkrete Handlungsanleitungen verstanden wissen – sie ergäben vielmehr einen Handlungsrahmen. So oder so: Es geht ums Handeln. Das Gute: Vieles von dem Vorgeschlagenen kostet nichts, oder zumindest nur überschaubar wenig. Würde bei der Fortschreibung lediglich der Stillstand dokumentiert, käme das in der Stadt der früheren „Reichen Herzöge“ einem kulturellen Armutsbericht gleich. Den zu rechtfertigen, würde sicher schwer fallen angesichts der Überzeugungskraft dieses ersten „Manifestes“. (Karin Dütsch)

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