Kultur

Revue im Leichenschauhaus: Aus Bjørn Melhus' Film „Freedom & Independence“. (Foto: Limboland Productions, Berlin)

19.04.2015

Filmische Grenzüberschreitungen

Zum zweiten Mal findet in München das Festival "Kino der Kunst" statt

Unter dem Motto „Science & Fiction“ widmet sich KINO DER KUNST in seiner zweiten Edition wieder neuesten Techniken der Narration in Filmen bildender Künstler, die deutlich machen, wie sehr technische Erfindungen und kreative Konzepte der Gegenwartskunst heute die kommerzielle Medienindustrie prägen. In der parallel zum Münchner Festival konzipierten musealen Überblicksschau „Creating Realities“ – die in vier Kapiteln in der Pinakothek der Moderne und im Museum Brandhorst zu sehen ist – richtet sich der Blick auf wichtige Schlüsselwerke der letzten 20 Jahre. Den Umgang mit den narrativen Formen von Morgen zeigt die zweite Museumsausstellung im Museum Ägyptischer Kunst mit künstlerisch relevanten Beispielen des wohl wichtigsten Unterhaltungsmediums der nächsten Jahre: der Videogames. Der mit 25.000 Euro dotierte Internationale Wettbewerb mit über 50 langen und kurzen Filmen steht heuer ganz im Zeichen der Grenzüberschreitung. Der amerikanische Fotograf Larry Clark wechselt zwischen Dokument und Inszenierung, wenn er ein Vierteljahrhundert nach seinem bahnbrechenden Film „Kids“ in „The Smell of Us“ den Alltag Pariser Skateboarder schildert. Der Brite Phil Collins beginnt in „Tomorrow Is Always Too Long“ aus der schottischen Stadt Glasgow mit unschuldig dokumentarischer Kamera und liefert dann ein schräges Musical mit singenden Laien. Auch der in Frankreich lebende Alexandre Singh denkt quer durch alle Kategorien, wenn er (außer Wettbewerb) drei Stunden lang sein eigenes Bühnenstück „The Humans“ verfilmt, eine dramatische Zeitreise von den griechischen Klassikern über Shakespeare bis zu Joseph Beuys und Co – ebenfalls mit viel Musik. Die Griechin Evangelia Kranioti reiste vier Jahre lang als einzige Frau auf Handelsschiffen mit und erzählt in „Exotica, Erotica, Etc.“ von Sehnsucht, Verlangen und der Tristesse zurückgelassener Frauen in den Hafenbordellen rund um den Globus. Auch bei Omer Fast geht es in „Everything That Rises Must Converge“ um Geld und Liebe. Er inszeniert im Splitscreen-Verfahren den Alltag kalifornischer Pornodarsteller. Und Turner-Preisträgerin Laure Prouvost lehrt uns in „How To Make Money Religiously“ mit feiner Ironie, wie man Geld lieben lernt. Dies sind lediglich einige wenige Beispiele für Filme, die Wirklichkeit nicht einfach abbilden, sondern illustrieren, wie bildende Kunst Realität durch die Lupe der fiktiven Narration betrachtet. Im Staatlichen Museum Ägyptischer Kunst versucht die Ausstellung „Archäologie der Zukunft. Kunst und Games“ mit Videospielen von Bill Viola oder Thierry Fournier einen Vorgeschmack auf künftige Erzählformen zu geben. In der Akademie der Schönen Künste feiert eine der letzten Installationen des im letzten Jahr verstorbenen Harun Farocki, „Parallele I – IV“, Deutschlandpremiere. Eine Solopräsentation des neuen Preisträgers für das Filmische Gesamtwerk, Cory Arcangel, rundet im Espace Louis Vuitton München das diesjährige Programm von KINO DER KUNST ab. Der Amerikaner Arcangel ist mit nur 36 Jahren längst einer der Pioniere künstlerischer Auseinandersetzung mit neuen und neuesten Medien. Wegen der großen Vielfalt des diesjährigen Programms legt das Festival in diesem Jahr besonderen Wert auf Verzahnung und Querverbindung: Ed Atkins, Pierre Huyghe, Sven Johne oder Bjørn Melhus, alle mit älteren Werken in „Creating Realities“ vertreten, nehmen auch im Internationalen Wettbewerb die Zukunft aufs Korn. Der Deutsch-Norweger Bjørn Melhus lässt in „Freedom & Independence“ im Leichenschauhaus die Zombies des Kapitalismus Revue tanzen, der Franzose Pierre Huyghe stellt in „Untitled (Human Mask)“ einen zur Serviererin ausgebildeten Affen vor, der Brite Ed Atkins vermischt in „Even Pricks“ Mensch und Avatar, Wirklichkeit und Simulation, Maschine und Individuum. In „Illusions & Mirrors“ der in New York lebenden Shirin Neshat schließlich blickt eine junge Frau, gespielt von Natalie Portman, in die eigene Zukunft. Jochen Kuhn, dem Münchner Publikum wohlvertraut, taucht mit seinem neuen Film „IMMER MÜDER“ im Wettbewerb auf, aber auch im Haus der Kunst, wo die Ausstellung „Broken“, Medienkunst zum Thema Slapstick, Comedy und Schwarzer Humor aus der Sammlung Goetz, läuft. Im Museum der Sammlung Goetz wiederum ist eine große Rauminstallation der Schwedin Nathalie Djurberg zu sehen, die auch im Haus der Kunst vertreten ist. Weitere Präsentationen laufen im Kunstverein München oder in der Lothringer13 Halle. Ebenso bereichern wieder zahlreiche Münchner Galerien durch ihre Ausstellungen das Programm. (BSZ) An den folgenden Tagen, immer um 18.30 Uhr lädt KINO DER KUNST zu Künstlergesprächen ins Museum Brandhorst ein. 23. April               Yang Fudong, Mod.: Franziska Stöhr 24. April               Larry Clark, Mod.: Heinz Peter Schwerfel 25. April               Jesper Just, Mod.: Bernhart Schwenk 26. April               Cory Arcangel, Mod.: Hans Ulrich Obrist Weitere Informationen zum Festival unter http://www.kinoderkunst.de

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