Kultur

Orfeo bezirzt auf der Bühne alle mit seinem Gesang – und Christian Gerhaher das Publikum. (Foto: Hösl)

25.07.2014

Flower-Power im Totenreich

In Claudio Monteverdis "L’Orfeo" erfreut vor allem Star-Bariton Christian Gerhaher

Manchmal kommt das Beste zum Schluss. Bei den diesjährigen Münchner Opernfestspielen der Bayerischen Staatsoper wurde jedenfalls die gelungenste Neuproduktion gegen Ende des Festivals gezeigt. Darüber hinaus zählt die Oper L’Orfeo von Claudio Monteverdi, die im Prinzregententheater gestemmt wird, zu den stärkeren Premieren der jetzt beendeten Spielzeit 2013/14. Hier stimmt wirklich alles.
Schon die Regie von David Bösch, der bereits häufiger am Nationaltheater inszenierte, war eine Freude – weil Bösch wie gewohnt ausgesprochen spielerisch das Tragikomische ausschattiert. Statt sich im pseudo-intellektuellen Denkfieber zu verrennen, wagt Bösch eine geistreiche Unterhaltung. Seine Regie funktioniert schlicht und einfach – kurzweilig, aber gleichermaßen witzig und nachdenklich.

Leichen vom Himmel

Die Nymphen und Hirten, von denen die Musica (Angela Brower) zu berichten beginnt, zeichnet Bösch als schräge Hippie-Gesellschaft der 1970er Jahre – samt kunterbuntem VW-Bus und langen Haaren (Bühne: Patrick Bannwart, Kostüme: Falko Herold). Es ist die Welt der Blumen, die in den Theaterhimmel wachsen.
In diesem Reigen feiert Orfeo (Christian Gerhaher) eine Flower-Power-Hochzeit mit seiner geliebten Euridice (Anna Virovlansky). Lange geht das nicht gut. Eurdice stirbt, und Orfeo möchte sie aus der Unterwelt befreien. Dort regieren der zottelige Plutone (Andrew Harris) und seine Proserpina (Anna Bonitatibus), für Bösch eine Art Königin der Nacht. Wo vorher Blumen in den Himmel wuchsen, hängen jetzt Leichen kopfüber vom Theaterhimmel. Mit einem schrägen Gefährt tuckert der Fährmann Caronte (Andrea Mastroni) über den Totensee.
Orfeo, der alles und alle mit seinem Gesang zu bezirzen vermag, hat im Totenreich nicht viel Glück. Er dreht sich zu Euridice um, die auf immer verloren ist. Und wenn Apollo (Mauro Peter) am Ende Orfeo das Angebot macht, ihn zu den Sternen zu folgen, willigt Orfeo bei Bösch ein – allerdings schlitzt er sich die Pulsadern auf.
Das alles ist atmosphärisch dicht und ganz klar gezeichnet. Mit im Grunde einfachen Mitteln gelingt es Bösch, dass sich die Handlung selber erklärt – rein visuell. Noch dazu ist Böschs Regie ausgesprochen sängerfreundlich, und die intimere Akustik des schönen Prinzregentenheaters passt hervorragend für diese Renaissance-Oper.
Auch deswegen hatte Ivor Bolton fast schon leichtes Spiel, die Musiker des Monteverdi-Continuo-Ensembles und des Bayerischen Staatsorchesters durch die Partitur zu führen. Natürlich mag man darüber streiten, ob es nicht an der Bayerischen Staatsoper endlich an der Zeit wäre, in der historischen Aufführungspraxis nicht nur mit Bolton zusammenzuarbeiten. Schon vor Nikolaus Bachlers Amtsantritt als Staatsopern-Intendant wurde für dieses Repertoire mit Bolton kooperiert, obwohl es sicherlich spannendere Originalklang-Experten gibt. Daran hat sich Bachler bislang nicht gewagt, auch wenn er sich gerne rühmt, die Münchner Opernwelt neu definiert zu haben.

Höhepunkt der Saison

Sei’s drum – Boltons Leitung punktet nicht zuletzt mit dossiertem Einsatz des Vibratos, was die Gesangssolisten durchwegs stilsicher aufgreifen und weiterführen. Das gilt allen voran für Christian Gerhaher, der schon 2005 in Frankfurt am Main mit Monteverdis Orfeo glänzte. Es ist schlicht unerhört, wie der Bariton mit überreicher Farben- und Ausdrucksvielfalt Worte und Klänge seziert. Stets schwingt ein Höchstmaß an klangsinnlicher und geistiger Durchdringung mit, was seinen Orfeo zu einem ganz besonderen Hörerlebnis macht. Jede Verzierung sitzt perfekt, alles ist überaus schlank und agil, luzid und klar. An Gerhahers Gesang kann man sich nicht satthören.
Dieser Orfeo der Bayerischen Staatsoper war ein Höhepunkt, was nach der missglückten Tell-Oper von Rossini auch dringend nötig war. (Marco Frei)

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