Kultur

Was am Bau zur Dämmung verwendet wird, ist dem gelernten Steinmetz Benjamin Houlihan ein Material für expressiv geformte Wandobjekte. (Foto: Ines Kohl)

21.08.2020

Flucht aus der Zweidimensionalität

Winzige Zinnskulpturen und üppige Schaumgebilde: Arbeiten von Benjamin Houlihan im Museum Lothar Fischer in Neumarkt

Man fühlt sich wie Gulliver bei den Liliputanern, wenn man zwischen den winzigen Plastiken umhergeht, die im großen Ausstellungsraum des Museums Lothar Fischer in Neumarkt ohne Sockel weitläufig auf dem grauen Boden verteilt sind. Ein winziger Blumentopf, ein Igel, ein Schwammerl, ein Hahn und eher amorphe Gebilde stehen in dem Raum. Manches Teil scheint wie beim Bleigießen an Silvester entstanden zu sein – gegossen sind die skurrilen Objekte tatsächlich, aus weichem Zinn. Mancher Besucher geht da auf die Knie, nicht in Anbetung, sondern um die Weite des Raumes aus der Froschperspektive zu erkunden.

Die Relationen von Masse und Volumen, Körper und Raum sind es, die den gelernten Steinmetz Benjamin Houlihan interessieren. Mit dem Schwarm kleiner Figuren – in gebührendem Abstand zueinander platziert – lotet er, nicht ohne Ironie, die Verhältnisse des Menschen zu seiner Umgebung aus. Zeichnungen stehen in direktem Bezug zu den Zinngüssen – wie schnell hingeworfene Ideen.
Ganz anders, aber mit denselben Fragestellungen, spielt der Künstler bei den riesigen Bildobjekten aus Polyurethanschaum. Hat man es hier mit plastischer Malerei oder gemalter Plastik zu tun? Während man die schwarz-weißen Gebilde mit Asphalt und Desaster in Verbindung bringen kann, lassen die üppig eingefärbten an Softeis oder Sahneberge denken.

Was macht man nicht alles, um dem klassischen Bild zu entkommen. Houlihan zum Beispiel nimmt Polyurethanschaum, mit dem sich die Potenzierung eines pastosen Farbauftrags erzielen lässt. Den meist schwarz-weiß-grau, ab und zu bunt eingefärbten Polyurethanschaum (ein Dämmmaterial am Bau) nutzt Houlihan, um Form und Farbe explodieren zu lassen – klassischerweise noch immer auf Leinwand. Die Kunststoffmasse, die mit einem Quirl aufgeschlagen wird, lässt auch noch erhärtet ihren Erschaffungsprozess erahnen. Nahezu schwerelos scheinen die Klumpen an der Wand zu hängen.
Das weiche Material quillt nach dem Mischen auf, bleibt nur sehr kurzfristig weich und formbar. Der Künstler muss also spontan und entschlossen vorgehen. Die entstandenen Gebilde wirken sehr expressiv und dynamisch, sie strahlen eine diffuse Lebendigkeit aus.

Erinnerung an die „Spur“

Rund 60 Jahre nach der Gruppe Spur, die die Malerei der Zukunft polydimensional sah, unternimmt Benjamin Houlihan, entfernt auch an die Antiobjekte der Gruppe Geflecht erinnernd, einmal mehr eine Flucht aus der Zweidimensionalität des Bildes in die dritte Dimension. Auf jeden Fall hat er der Forderung nach Spiel und Spaß Genüge getan. „Die Kunst ist die letzte Domäne der Freiheit und wird sie mit allen Mitteln verteidigen“, hieß es 1958 im Manifest der Spur-Künstler. Derzeit sind als Leihgaben auch die bemalten Möbel der Spur im Museum des Gruppenmitglieds Lothar Fischer zu sehen. (Ines Kohl)

Information: Bis 4. Oktober 2020. Museum Lothar Fischer, Weiherstraße 7a, 92318 Neumarkt. Mi. bis Fr. 14-17 Uhr, Sa./So. 11-17 Uhr.
www.museum-lothar-fischer.de

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