Kultur

Kerstin Schmidbauer, 1968 in Nürnberg geboren, ist Produzentin und Geschäftsführerin der Constantin Television GmbH. (Foto: Constantin Film)

09.08.2019

"Frauenbashing? Hab ich nicht erlebt"

Produzentin Kerstin Schmidbauer über die Eberhofer-Filme, klimafreundliche Produktionen und ihre Antwort auf den Streaming-Hype

Ob der Leberkäsjunkie die 600 000 knackt? So viele Zuschauer allein in den ersten drei Wochen hatte nämlich Sauerkrautkoma, der Vorgänger des neuen Eberhofer- Krimis im Kino. Seit vergangener Woche läuft die sechste Verfilmung der Rita-Falk-Geschichten – und es wird nicht die letzte sein, verrät Produzentin Kerstin Schmidbauer.

BSZ Frau Schmidbauer, die Eberhofer-Krimis sind ein Serienerfolg. Jedes Jahr eine Verfilmung. Ist das Nicht ungewöhnlich für eine Kinoproduktion?
KERSTIN SCHMIDBAUER Wir haben das Projekt tatsächlich als Fernsehserie gestartet. Aber der Erfolg schon von Dampfnudelblues, war so groß, dass wir uns fürs Kinoformat umentschieden haben.

BSZ Regionalkrimis boomen schon lange. Haben Sie bewusst nach einem passenden Stoff gesucht?
SCHMIDBAUER Ich bin 2011 zufällig darauf gestoßen, als der erste Band erschienen war. In einer Buchhandlung hat mich der Titel Winterkartoffelknödel angesprungen. Den fand ich originell. Also hab ich mir das Buch gekauft und gelesen.

"Die Dialoge! Und das Personal! Das sind einfach dankbare Vorlagen"

BSZ Was ist daran so packend, dass Sie daraus Filme gemacht haben?
SCHMIDBAUER Beim Lesen habe ich sofort gemerkt, dass das erlebte Geschichten sind, die einfach raus mussten. Rita Falks Ehemann war ja Polizist, da ist sicher vieles, was er aus seinem Alltag erzählt hat, mit eingeflossen. Und dann die Dialoge! Und das Personal! Das sind einfach dankbare Vorlagen.

BSZ Dieses Potenzial hat die Konkurrenz verschlafen?
SCHMIDBAUER Das Gute war, dass die Autorin und der Verlag die Filmrechte nicht beim ersten Band veräußert haben, sondern das erst später en bloque für die Serie tun wollten. Da kam ich eben zur rechten Zeit. Außerdem war Rita Falk von meiner Vision der Verfilmung begeistert. Das hatte sicher auch damit zu tun, dass von Anfang an Sebastian Bezzel in der Titelrolle im Gespräch war und die Autorin und ich eine gemeinsame Wellenlänge hatten.

BSZ Was war beziehungsweise ist Ihre Vision der Serie?
SCHMIDBAUER Das Charakteristische an den Geschichten sind die Personen, die ausgesprochen statische Protagonisten sind. Das sind keine klassischen Filmfiguren oder Helden, die in 90 Minuten großartige Veränderungen sichtbar werden lassen. Hier sind die Wandlungen eher im Kleinen zu sehen und in längeren Abständen. Aber das macht sie so authentisch, so ist es doch bei uns selbst auch. Von der Filmerzählung her ist das natürlich eine Gratwanderung, aber eine reizvolle.

BSZ Es gibt inzwischen zehn Eberhofer-Bücher, aber nur sechs Verfilmungen. In der Chronologie wurden schon zwei ausgelassen. Warum?
SCHMIDBAUER Das ist einer gewissen Straffung der Storyline geschuldet. In Zwetschgendatschikomplott geht es zum Beispiel ausführlich um die neun Monate Schwangerschaft von Susi. Wir haben diese Zeit übersprungen und zeigen in Leberkäsjunkie gleich, wie der Franz sich als Vater macht. Bei aller Serienvertrautheit müssen wir dem Kinobesucher doch immer auch etwas Neues und ein paar Überraschungen bieten.

BSZ Ist die Serie auf eine bestimmte Anzahl an Verfilmungen begrenzt?
SCHMIDBAUER Nein. Wir machen so lange weiter, wie die Beteiligten mitmachen wollen und das Publikum die Filme sehen will.

"Ich muss jetzt nicht laufend bayerische Filme abliefern"

BSZ Der Marke von 2400 Episoden nähert sich die TV-Kultserie "Dahoam is Dahoam", an deren Konzept und Entwicklung Sie maßgeblich beteiligt waren. Haben Sie ein Faible dafür, Bayerisches zu produzieren?
SCHMIDBAUER Nicht ausschließlich. Ich bin sehr breit aufgestellt, was Themen und Formate angeht. Ich habe TV-Dramen wie Ein Teil von uns und Marias letzte Reise, ebenso die Ken-Follett-Adaption Die Pfeiler der Macht und jüngst wiederum fürs Kino den Polit-Thriller Der Fall Collini produziert. Seit Dahoam is Dahoam und den Eberhofer-Krimis sagt man allenfalls, dass ich ein gutes Händchen für bayerische Stoffe habe. Aber ich muss deshalb jetzt nicht ausschließlich nur noch bayerische Filme abliefern. In so eine Ecke wird man hier bei Constantin Film keineswegs gedrängt.

BSZ Mit der Folge "Sauerkrautkoma" haben Sie hausintern eine wichtige Marke gesetzt: Es ist die erste „grüne“ Produktion von Constantin Film.
SCHMIDBAUER Stimmt. Wir haben damit erstmals den "grünen Drehpass" bekommen. Den vergibt seit einigen Jahren die Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein.

BSZ Wofür bekommt man den?
SCHMIDBAUER Es geht um den Umweltschutz, ums Ressourcenschonen auch bei Filmproduktionen. Beim Dreh kommen zum Beispiel immer große Mengen Pappbecher zusammen. Die müssen nicht sein. Das Catering kann auch wiederverwendbare Thermobecher ausgeben. Für viele Fahrdienste können Autos mit E- oder Hybridantrieb geordert werden. Dann betrifft es vor allem die Technik. Es gibt auch umweltfreundliche Generatoren und energiesparsameres Lichtdesign.

BSZ Merkt man das den Filmen an?
SCHMIDBAUER Keineswegs. Es macht sich nur in den Produktionsabläufen bemerkbar. Aber Constantin Film hat sich zu dem Thema inzwischen eindeutig positioniert, und angeregt durch unseren Vorstand Martin Moszkowicz wollen wir das grüne Produzieren konsequent weiterverfolgen.

BSZ Nicht nur das verändert Ihre Branche. Sie sind seit Mitte der 1990er-Jahre Produzentin. Was ist heute anders als zu Beginn Ihrer Karriere?
SCHMIDBAUER Als Produzent hat man heute bessere Bedingungen als noch vor wenigen Jahrzehnten. Die Vielfalt und Diversität am Markt ist ungleich größer. Allein die neuen Möglichkeiten durch Streamingdienste! Freilich bedeutet das auch mehr Konkurrenz im Kampf um die Rechte an Stoffen ebenso wie um Finanzierungsquellen und die Platzierung der Filme.

BSZ Produzieren Sie für Streamingdienste?
SCHMIDBAUER Wir arbeiten an einer Reihe von Entwicklungen dafür. Zum Beispiel haben wir rechtzeitig die Rechte am Roman Der Club von Takis Würger erworben. Jetzt entwickeln wir dazu ein internationales Serienkonzept. Es wird englischsprachig sein, es spielt schließlich auch in Cambridge. Und wir haben bereits Anfragen aus den USA, das Projekt gemeinsam zu entwickeln.

BSZ Wie unterscheidet sich das Produzieren für solche neuen von den klassischen Formaten?
SCHMIDBAUER Das ist tatsächlich ein spannendes, neues Terrain für mich. Die Gesprächspartner sind völlig neue, die Konstellationen am internationalen Markt sind ganz andere, die Konkurrenz ist immens.

"Es gibt keinen speziellen Geschlechterkampf in der Branche"

BSZ Haben es Frauen in der Branche schwerer?
SCHMIDBAUER Die Frage stellt sich für mich nicht, jedenfalls heute nicht mehr. Es gibt aus meiner Beobachtung keinen speziellen Geschlechterkampf in der Branche. Im Ringen um Kreative, Stoffe, Finanzen und Programmplätze ist es letztendlich egal, ob man Frau oder Mann ist. Man braucht vor allem gute Ideen, Überzeugungskraft und einen langen Atem.

BSZ Aber früher war das anders, haben Sie angedeutet.
SCHMIDBAUER Als ich noch nicht an der Filmhochschule war und wegen meines Berufswunsches Produzentin für einen Praktikantenplatz bei einem bekannten Berliner Produzenten vorsprach, wurde ich schon von der Vorzimmerdame quasi aussortiert: zu jung, und dann noch Frau! (lacht herzlich) Mir wurde damals vermittelt, ein Produzent könne nur ein Zigarre rauchender, guten Rotwein trinkender, den ganzen Tag hochgescheit parlierender Mittfünfziger sein.

BSZ Also war das damals nicht nur eine Frage des Geschlechts, sondern auch des Alters? Die alten Platzhirsche bestimmten das Geschäft?
SCHMIDBAUER Früher war es wohl überwiegend so, dass sich die alteingesessenen Produzenten die lukrativsten Aufträge schnappten. Als junger Produzent musste man sich erst mühsam hocharbeiten und vor allem immer wieder beweisen. Solche hierarchischen Strukturen sind inzwischen weitgehend aufgelöst. Heute ist die Film- und TV-Branche generell viel offener für junge Produzenten und innovative Ideen.

BSZ Sie haben an der Hochschule für Fernsehen und Film in München studiert, zuvor Neue deutsche Literaturgeschichte in Berlin. Was hat dazu geführt, dass Sie sich für die Filmbranche, speziell für die Produktion, entschieden haben?
SCHMIDBAUER Ich wollte eigentlich gleich nach dem Abitur zielgerichtet Produzentin werden. In meiner Jugendclique in Nürnberg waren wir ausgesprochene Cineasten, haben uns Filme angesehen und diese dann ausgiebig analysiert. Dabei bin ich in einem Buchkapitel auf Bernd Eichinger gestoßen. Was er dort über Filmfinanzierung erzählt hat, das war alles so vielseitig. Und das war für mich eine Initialzündung, hat mich regelrecht angetriggert.

BSZ Das Literaturstudium passt da nicht so recht ins Bild.
SCHMIDBAUER Tatsächlich bin ich nach dem Abitur zu einem Beratungsgespräch in die Filmhochschule nach München gefahren. Dort hieß es aber, ich sei noch zu jung, müsse erst noch Erfahrungen sammeln und sollte erst etwas anderes studieren, zum Beispiel Betriebswirtschaft. Das habe ich tatsächlich begonnen, daraus ist aber nur ein sehr kurzes Intermezzo geworden. Weil ich gerne und viel lese und weil das ja auch zum Produzentenjob gehört, habe ich das Literaturstudium begonnen. Aber auch dort habe ich mich irgendwann fehl am Platz gefühlt, weil ich immer den Weg zwischen Kreativität und Film gesucht habe. Und dann habe ich mich einfach noch einmal bei der HFF beworben. Diesmal mit Erfolg.

BSZ Erinnern Sie sich an Ihren ersten Film dort?
SCHMIDBAUER Der hieß Ein kurzer beschissener Abend. Ich habe ihn gemeinsam mit Tim Trageser gemacht. Genauso wie den Abschlussfilm Clowns?! Damals wollten wir aus einem Kurzfilm eigentlich einen Kinofilm machen. Es war meine erste große Aufgabe als Produzentin.

BSZ Und was ist daraus geworden?
SCHMIDBAUER (lacht) Wir sind grandios gescheitert! Und das, weil wir es nicht hinbekommen haben, eine Geschichte fürs Kino über 90 Minuten zu erzählen. Wie man ein Drehbuch schreibt, haben wir damals zu wenig in der Hochschulausbildung gelernt.

BSZ Das hieß für Sie „Learning by Doing“?
SCHMIDBAUER Ja, ich hatte die Chance, als Producerin unter anderem mit Bettina Reitz, Gabriela Sperl und Bernd Burgemeister zusammenzuarbeiten.

BSZ Welchen Einfluss hat ein Produzent auf das Drehbuch?
SCHMIDBAUER Das A und O ist, dass man sich selbst viele Gedanken machen muss. Ich brüte oft stundenlang über Drehbüchern, überlege, wie man sie verbessern könnte. Als Produzent ist man oft eine Art Mediator des Teams. Absolut wichtig ist nämlich, dass alle im Filmteam den Drehbuchautor unterstützen, ihm Hinweise geben, eigene Ideen einbringen. Und das alles in einem vorsichtigen Umgang miteinander.

BSZ Woran lässt sich festmachen, dass ein Produzent seine Sache gut gemacht hat? An der Zuschauerquote?
SCHMIDBAUER Das ist die Außenwahrnehmung der Finanzierung. Meine schönste Bestätigung ist es, wenn die Schauspieler und alle Beteiligten sich aufs nächste Projekt freuen und sagen, dass es Spaß mache, mit mir zu drehen.

BSZ Und, wie ist die Stimmung im Team von „Leberkäsjunkie“?
SCHMIDBAUER (lacht) Es wird auf jeden Fall einen nächsten Eberhofer-Fall im Kino geben!

Interview: Karin Dütsch

Abbildungen:
Das Besondere an den Eberhofer-Geschichten sei, so Kerstin Schmidbauer, dass die Charaktere keine Veränderungen wie klassische Filmfiguren durchlaufen. Deshalb kann der Franz (Sebastian Bezzel) auch nicht von Leberkässemmeln lassen. (Foto: Constantin Film)

Ihre größte Bestätigung hat Kerstin Schmidbauer (hinten links), wenn alle am Film Beteiligten sich freuen, wieder mit ihr zu drehen. Hier das Team vom „Leberkäsjunkie“: Sebastian Bezzel (Eberhofer Franz), Simon Schwarz (Birkenberger Rudi, vorne links), Lisa Maria Potthoff (Susi) und Regisseur Ed Herzog.     (Foto: Constantin Film)

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