Kultur

Eigenwilliger Surrealismus: Ein zur "Termitenkönigin" umgestalteter Auspufftopf (1975). (Foto: VG Bild-Kunst Bonn)

06.03.2015

Freiheit muss man sich nehmen

Das Museum Moderner Kunst in Passau zeigt, dass Meret Oppenheim sich nicht auf die Muse der Surrealisten reduzieren ließ

Das berühmte Frühstück in Pelz kam nicht mit nach Passau ins Museum, doch das dürfte der exzentrischen Künstlerin recht sein. Weder wollte Meret Oppenheim (1913 bis 1985) auf die Pelztasse (1936) reduziert werden, noch wollte sie als Muse der Surrealisten in die Kunstgeschichte eingehen. Den Künstlerkollegen freilich hätte das gut gepasst, die eigenwillige Deutsch-Schweizerin auf ihre erotischen Reize zu reduzieren. Das bekannteste Foto, das Man Ray 1933 von ihr machte, zeigt sie nackt hinter einer Druckerpresse. Es bildet das kindhafte Klischee der Surrealisten von Weiblichkeit ab und wurde zu einer Ikone der Kunstgeschichte.
Davon und vom Erfolg der Pelztasse, die das Museum of Modern Art New York ankaufte, nahezu überrumpelt, entzog sich Meret Oppenheim dem Kreis der Surrealisten in Paris und ging zurück in die Schweiz. Als Frau und als Künstlerin wollte sie frei sein.
Künstlerisch aber befand sie sich in einer Krise. Hatte sie bisher ihre Ideen als Autodidaktin intuitiv in die Tat umgesetzt, besuchte sie nun erst Mal- und Zeichenkurse, um sich ihr Rüstzeug zu erwerben; daneben arbeitete sie als Restauratorin.
Erst Mitte der 1950er Jahre begann sie wieder, sich mit Objekten und Performances zu befassen, zeigte ihre Arbeiten international und arbeitete mit jungen Künstlern wie Daniel Spoerri und Dieter Roth zusammen. 1982 sah man ihre Kunst auf der documenta 7 in Kassel.
Mit kurz geschorenen Haaren und spöttischem Gesichtsausdruck wurde sie das imposante Gesicht des deutschen Surrealismus und seine wichtigste Vertreterin. Wobei sie unter Surrealismus etwas anderes verstand, als das kunstgeschichtliche Etikett aussagt. Surrealismus war für Meret Oppenheim eine Realität, die alles umfasst, was das Individuum ausmacht, mit allen Erinnerungen und Vorahnungen. Sie beschäftigte sich mit den Schriften des Psychoanalytikers C.G. Jung und führte von Jugend an ein Traumbuch, das Quelle ihrer Inspirationen war.

Tabus überschritten

Meret Oppenheim forderte Freiheit für sich als Frau, überschritt sexuelle und soziale Tabus, ließ Autobiografisches und Erinnerungen an die Kindheit in ihre Arbeit einfließen – und verband all dies zu einem Amalgam von Zeichnung, Schrift und Objekt. Mit dieser Denkweise wurde sie Avantgardistin für Künstlerinnen wie Louis Bourgois, Rebecca Horn oder Cindy Sherman.
Die Passauer Ausstellung zeigt in Fülle die faszinierende Gedankenwelt dieser Künstlerin von den Pariser Anfängen bis in die 1980er Jahre, die sich mit Witz und Phantasie in Bildern und Gedichten ausdrückte, magische Objekte erfand, sich mit Textilkunst und extraordinärem Schmuck beschäftigte und ihr Lebensmotto präzis auf den Punkt brachte: „Die Freiheit wird einem nicht gegeben, man muss sie nehmen.“
Künstlerkollegen, die sie sich gerne als erotisches Accessoire ans Revers geheftet hätten, hat sie reihenweise in die Tasche gesteckt. Nicht einmal von ihrem Tod hat sie sich übertölpeln lassen. Sie starb, wie sie es sich vorgenommen hatte, im November 1985. Voilà! (Ines Kohl) Bis 6. April. Museum Moderner Kunst, Bräugasse 17, 94032 Passau. Di. bis So. 11 - 17 Uhr. www.mmk-passau.de Abbildungen (Fotos: VG Bild-Kunst Bonn): Eine Foto, das Geschichte schrieb: Meret Oppenheim an einer Druckmaschine, 1933 fotografiert von Man Ray.   Grüner Spiegel vor Wüste, 1978.

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