Kultur

Schaut einmal, da steht er: Alexander Ebeert gibt den Struwwelpeter, beäugt von Elisabeth Nelhiebel, Markus Krenek, Nadine Zeintl, Carolin Waltsgott und Markus Achatz. (Foto: Sebastian Hoffmann)

10.05.2019

Garstige Groteske

Psychoanalysierung eines Kinderbuchklassikers: „Shockheaded Peter“ in Eggenfelden

Mit Ängsten ist es so wie mit Supermarktchampignons, den allermeisten Kälbchen und schwarzen Tulpen: Sie sind menschliche Züchtungen. Die Wurzeln werden in der Kindheit eingepflanzt, danach wächst sich lebenslang ein zünftiges Über-Ich aus wie eine Krone des inneren Traumakönigreichs. In der Eggenfeldener Inszenierung von Schockheaded Peter, einer Pop-Musical-Fassung der Struwwelpeter-Motive durch die britische Musikgruppe Tiger Lillies, bringen die Ängste ihren Träger und Verwalter schlussendlich um. Es ist die Psychoanalysierung eines ebenso garstigen wie grotesken Kindererziehungsbuchs mit konsequent letalen Erzähl-Enden.

Am Rand des Absurden

Dass dem Daumenlutscher die Daumen abgeschnitten werden, das zündelnde Paulinchen zum Häuflein Asche wird und der Suppenkaspar vor der gedeckten Tafel verhungert, ist in seiner ausgesprochen expressiven Konsequenz von Vergehen und Bestrafung am Rand des Absurden. Genau hier ist das Bühnengeschehen des Schockheaded Peter angesiedelt: im Absurden, Expressiven, gelegentlich Kakophonen. Regisseur Bernd Liepold-Mosser, in Eggenfelden gern gesehener Inszenierungs-Gast, hat die richtige Antwort auf das Plärrfestival kindlicher Anarchie gefunden: Im Theater an der Rott entsteht ein Bühnenbilderbuch voll spielerischer Drastik.

Etwa in der „Geschichte vom wilden Jäger“, in der ein Hase den Jäger in einen Brunnen hetzt: Carolin Waltsgott und Markus Krenek sind die Hasen, sehr spielerisch, sehr phantasievoll, sehr pantomimisch angelegt wie große Teile der Inszenierung. Markus Achatz ist der Jäger, Elisabeth Nelhiebel dessen Frau, beide im selben Spielduktus: Als wären die Figuren tatsächlich expressive, ins Surreale lappende Zeichnungen. Das ist manchmal ausgesprochen witzig, machmal fast schon ein wenig erratisch in seiner Erzählhaltung: mittendrin in der Echokammer von Dr. Heinrich Hoffmans Erzählungen, oft umwabert von unheimlichen, albtraumhaften Videos (von Philip Kandler).

Die Inszenierung folgt so gesehen der konsequent leicht angeschrägten musikalischen Ausgestaltung: Die vierköpfige Band um den musikalischen Leiter Dean Wilmington spielt die Tiger-Lillies-Songs ähnlich hingebungsvoll wie das Ensemble, das ständig in neue Rollen schlüpft, singt und tanzt.

Neu im Ensemble ist die sehr erfahrene und gewandte Bühnenkünstlerin Nadine Zeintl, zuletzt zugange am Münchner Gärtnerplatztheater; ihre Solonummern sind sängerisch und tänzerisch (Choreografie: Daniel Morales Pérez) eine Wucht.

Die Eggenfeldener Inszenierung trägt allerdings über den gesamten Abend hinweg zwei kleine Mankos mit sich herum. Zum einen ist sie als Koproduktion mit der „Flying Opera“, einer Open-Air-Veranstaltung der Stadt Villach (Österreich), auch als Freiluftstück angelegt, weshalb manche Darstellungs-Vektoren über den geschlossenen Theaterraum hinausschießen und sich seltsam versenden. Zum anderen ist die Rolle des handlungsdirigierenden Theaterdirektors zugleich sehr dominant und fast ein wenig aufdringlich als Erklär- und Kommentier-Ebene angelegt, was dessen Auftritte – da kann sich Alexander Ebeert noch so mühen – von Beginn an zur starken Bremse der Dynamik macht. Da bröckelt’s dann ein wenig, aber das Bühnengebäude steht dennoch bombensicher. (Christian Muggenthaler)

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