Kultur

Der Film „Euphoria of Being“ erzählt die Geschichte von Éva Fahidi. (Foto: dok.fest)

08.05.2020

Geschichtsbuch der Gegenwart

Eröffnung des Dok.fest im Onlinekino mit „The Euphoria of Being“

Sie haben ganz einfach den Kürbis rübergerutscht, so wie es bei Festivalleiter Daniel Sponsel in seiner Videobotschaft aus der heimischen Küche auch getan wurde, des freien Blickes wegen: das 35. Münchner Dokumentarfilmfestival Dok.fest komplett von einem Gleis auf das andere verlegt, aus einer analogen eine digitale Veranstaltung gemacht. Bis zum 24. Mai sind 121 Filme aus 42 Ländern zu sehen.

Am Mittwoch war Eröffnung im Deutschen Theater München, in dessen Publikumsraum statt der vorgesehenen 1500 nur drei Leute saßen: die Festivalmacher. Und dennoch war die Eröffnung eine richtige Eröffnung: Weil, so Moderatorin Christina Wolf, die in diesem Jahr im Netz vorgeführten Filme auch so eine Bühne haben, „die die Filme verdient haben“. Es gehe darum zu zeigen, „was es für andere Realitäten gibt“.

Anrührende Tanzgeschichte

Diese Reise in andere Realitäten begann mit The Euphoria of Being und damit mit einem ausgesprochen anrührenden Film über drei bemerkenswerte Frauen, die ein Tanzprojekt in Ungarn zusammenspannte, und noch mehr über eine Frau und ihre Biografie: die 90-jährige Éva Fahidi, die Auschwitz überlebt hat und in einem kurzen Beitrag bei der Eröffnung sagte: „Man soll mich nicht bedauern. Ich will nur erzählen, was geschehen ist.“

Diese Erzählung bekam in besagtem Tanzprojekt durch die Regisseurin und Choreografin Réka Szabó Ausdruck, gespiegelt wird in ihm das Leben der Greisin durch sie selbst und die junge Tänzerin Emese Cuhorka. Die beiden sind im Laufe der Proben zu Schwestern geworden in sichtbarer, spürbarer Zuneigung zueinander. Der Tanz bedeutet, so Fahidi: „Das, was von sich aus harmonisch ist, ist schön.“
So vermittelt auch dieser Film Harmonie und Schönheit – er kreist um diese alte, schöne, strahlende, weise, wundervolle Frau. Der Film ist ein Fest des Körpers, der von den Nazis und ihren ungarischen Unterstützern nicht zerstört werden konnte. Eine Gegenposition des Lebens zu aller lebensbedrohenden Barbarei – und deshalb ein Film, der für Ungarn, Deutschland und Europa gerade zur rechten Zeit kommt. Denn in ihm steckt eine solche Menge an Zuneigung, an Liebe, dass hier eine starke Wirkkraft spürbar wird gegen die Hassmechanismen menschenfeindlicher Gruppierungen, die erneut Leid über Menschen bringen wollen.

Im Tanz entdeckt sich die alte Frau wieder als junges Mädchen, das auch schon getanzt hat: vor dem dreiflügeligen Spiegel im elterlichen Zuhause. Man sieht, wie die alte und die junge Tänzerin zueinanderfinden, wie sich beispielsweise in einer Szene die Hände beider unterhalten, wie sie im Tanz abheben in eine befreite Dimension. Und so sagt auch die Choreografin: „Ich will dich wirklich fliegen machen.“

Zugleich sind da diese Erinnerungen, die Éva Fahidi – von einem Reporter gefragt, was „damals passierte“ – den Blick kurz nsenken lassen: Zusammengenommen machen sie ein langes Leben aus – „Schätzchen, ich muss mich an 90 Jahre erinnern.“ Das alles auf Ungarisch mit englischen Untertiteln – was zum Eindringen in eine andere Realität dazugehört.

Eine andere Realität

Dokumentarfilme sind Beiträge eines Geschichtsbuchs der Gegenwart, weil sie Änderungen festhalten, die später als historische Tatsachen wahrgenommen werden. So trifft zu, was Festivalleiter Daniel Sponsel über das Dennoch dieses Festivals mit seinen Wettbewerben, Preisen, Welt- und Deutschlandpremieren bei der Eröffnung sagte: „Nicht stattfinden hilft niemandem.“ Die Filme sind vorhanden gewesen, viele Filmemacher waren mit dem digitalen Format einverstanden. Deshalb habe man nur das Team umstellen müssen auf den neuen Modus. Es ist eben fast so wie bei dem Bild mit dem Kürbis, der einfach zur Seite gerutscht wurde. (Christian Muggenthaler)

Information über den virtuellen Kinobesuch unter www.dokfest-muenchen.de

Abbildung:
Im Tanzprojekt „Euphoria of Being“ scheint die 90jährige Éva Fahidi mit ihrer jungen Partnerin Réka Szabó zu verschmelzen.   (Foto: dok.fest)

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