Kultur

Holger Stolz gibt dem Parzival etwas Staunendes ebenso wie Kraftmeierndes. (Foto: Jim Albright)

17.01.2014

Glück und Gräuel

Tankred Dorsts "Parzival" in Ansbach

Der Heilige Gral? Wundertätiger Stein, Kelch oder leuchtende Schale? Beim Theater Ansbach ist er nichts von alledem. Der Gral, den Parzival findet, ist nur ein metallener Seiher auf einem Kerzenständer. Man kann das als Botschaft sehen: Auf seiner Suche nach Ruhm, Ehre, Sinn und Gott irrt Parzival zwischen Banalem und Poetischem durch vertrautes Terrain.
Ulla Bay Kronenberger gibt ihrer Inszenierung von Parzival viel Lokalkolorit mit. Wolframs-Eschenbach, wohl die Heimatstadt des Parzival-Dichters Wolfram von Eschenbach, liegt um die Ecke. Der Ansbacher Parzival stammt aber von Tankred Dorst. Mit Parzival, der ihn oft beschäftigt hat, fragt er nach Glück und Leid, nach den Bedingtheiten und Folgen von Tun und Handeln und somit nach Schuld, Mitleid und Liebe.

Widersprüchliche Welt

Ulla Bay Kronenberger hat die bildmächtige Vorlage, ein offen angelegtes Szenarium, auf knapp eineinhalb Stunden gekürzt und schlüssig ein multimedial-surreales Selbstfindungsdrama herausgearbeitet: Nicht durch Erziehung kommt Parzival zur Einsicht, sondern durch die Erfahrung einer widersprüchlichen Welt, in der Glück und Gräuel ineinander verschlungen sind.
Beherrscht wird Kronenbergers Bühne von der Leinwand. Projektionen definieren Orte, spielen mit, machen das Innere von Figuren sichtbar, kommentieren das Geschehen und brechen nicht ohne Ironie den Mythos in der Alltagsgegenwart. Ansbacher Passanten erzählen in TV-Spots vom Glück. In der verfremdeten Ansbacher Orangerie ergeht sich die feine Gesellschaft – und spricht von der Leinwand herab mit dem realen Parzival. Ein Raver tanzt selbstverliebt, während Wolframs-Eschenbach, verheert vom Krieg, in Flammen steht.
Erarbeitet hat Kronenberger den intensiven und vieldeutigen Mix aus Musik, Geräuschen und starken Bildern mit Multimedia-Studenten der Ansbacher Hochschule. Dass sich die Bilder vor die Texte drängen können, gehört zum Kalkül. Das Ensemble, von Anna Sophia Röpcke eher heutig eingekleidet, spielt kraftvoll mit ihnen und gegen sie. Urs-Alexander Schleiff und Dave Wilcox schaffen prägnante Nebenfiguren, Fieslinge und Opportunisten. Beschwörend spricht Wilcox den Merlin, Parzivals Gewissensstimme. Und Katja Schumann legt mit Präzision frei, wie sich bei Parzivals Mutter Angst, Strenge und Liebe mischen. Später ist sie eine zärtliche, glückstraurige Blanchefleur, die Geliebte des geläuterten Gralssuchers.
Holger Stolz spielt Parzivals Entwicklung mit Nachdruck. Von Anfang an ist da ein kindliches Staunen und Kraftmeiern und eine Sehnsucht nach Höherem. Aber ihn umgibt auch etwas Unheimliches, Grausames, Gefühlloses. Holger Stolz verkörpert, dass Parzival keinen Begriff von Gut und Böse hat. Er muss erst den Menschen in sich entdecken. Wie ein Häuflein Elend sitzt er da, als es ihm glückt, als er Blanchefleur findet. Mit den Zweien könnte es auf Dauer was werden. Einen Kerzenständer und Seiher für ihren Hausstand haben sie schon.
(Thomas Wirth)

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