Kultur

Patrizier und Korsar: Vitalij Kowaljow als Jacopo Fiesco (links) und Zeljko Lucic in der Rolle des Simon Boccanegra. (Foto: Hösl)

07.06.2013

Gruftis und Biker

Verdis "Simon Boccanegra" in München: Eine enttäuschende und überflüssige Übernahme

Natürlich gehören Übernahmen von Inszenierungen und Koproduktionen zum Theateralltag. Wenn aber ein Opernhaus stets vollmundig damit prahlt, zu den größten, führenden Bühnen weltweit zu zählen, und über ein Budget verfügt, von dem andere Häuser nur träumen können, sollten Übernahmen eine Ausnahme bleiben. Stattdessen wurden an der Bayerischen Staatsoper nun gleich zwei Produktionen hintereinander gezeigt, die übernommen wurden. Gelohnt hat sich nur eine, nämlich Richard Jones’ Inszenierung von Hänsel und Gretel. Im März hatte diese Produktion Premiere, schon in Cardiff, San Francisco, Chicago und New York war sie zu sehen.
Dagegen wurde Verdis Oper Simon Boccangera, die jetzt Premiere hatte, in der gleichen Inszenierung bereits 2011 an der English National Opera in London gezeigt. Gelohnt hat sich diese Übernahme nicht, diese Produktion ist in jeder Hinsicht eine herbe Enttäuschung.
Das fängt schon mit der Regie von Dmitri Tcherniakov an – obwohl er bereits packende Deutungen an der Bayerischen Staatsoper vorgelegt hat. Wenn aber mehrmals Texte auf den geschlossenen Vorhang projiziert werden, die die Szene sträflich unterbrechen, wird schnell klar: Hier ist dem Russen nicht viel eingefallen.
Als eine Art Therapie einer Patchwork-Familie inszeniert Tcherniakov die Geschichte vom Aufstieg des früheren Freibeuters Boccanegra (Zeljko Lu(c)i(´c)) zum Dogen von Genua und dessen jähen Fall. Amelia (Kristine Opolais), die Geliebte von Gabriele Adorno (Stefano Secco), ist eine Waise und sucht ihren Vater – ohne zu wissen, dass dieser Boccanegra ist, gegen den sie mit Adorno anfänglich aufbegehrt. Nicht zuletzt sieht sie in jedem Mann eine potenzielle Vaterfigur, wahre Liebe bleibt abwesend.
Den Prolog der Oper versetzt Tcherniakov in eine Bar aus den 1960er Jahren, die dem Realismus des amerikanischen Malers Edward Hopper entsprungen ist. Warum? Weil Hoppers kühle Farben die Einsamkeit des modernen Menschen verdeutlichen. Sonst aber spielt die Oper in modernen, unterkühlten Büroräumen. Der besondere Clou: Wenn der erste Akt beginnt, wird die Hopper-Bar aus dem Prolog an die Wand projiziert, um allmählich zu einem kleinen Gemälde reduziert zu werden. Wie Erinnerungsfetzen huscht diese Hopper-Bar des Prologs immer wieder durch die Szene, denn: Im Prolog liegen die Wurzeln für das Familiendrama. Als langhaarige Grufti-Braut irrt fortan Amelia herum, und Adorno kommt in Bikerjacke daher.

Ermüdendes Stehtheater

Ansonsten bleibt es über weite Strecken beim ermüdenden Stehtheater: Nichts passiert, allenfalls wird beim Singen wild herumgestikuliert, was vielfach unfreiwillig komisch wirkt. Einen derart langweiligen Opernabend hat man schon lange nicht mehr erlebt, zumal die musikalischen und gesanglichen Leistungen nicht minder enttäuschten – wobei es auch einige Umbesetzungen gab. So hatte Krassimira Stoyanova einen Krankheitsfall in ihrer Familie zu beklagen, für sie sprang kurzfristig Opolais ein. Weil zudem Ramon Vargas erkrankte, sang Secco bereits auf der Premiere den Adorno.
Dass selbst die sonst so wunderbare Kristina Opolais enttäuschte, lag auch an der Leitung von Bertrand de Billy. Zu diffus und indifferent war de Billys Sicht auf Verdis Partitur, nicht immer gab er präzise die Einsätze. Doch wenn nicht einmal die Musik stimmt, wird eine langweilige Regie umso zäher und mühsamer. Diese Premiere muss zu den Tiefpunkten gerechnet werden, das alles ist absolut verzichtbar. (Marco Frei)

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