Kultur

Nicht nur das Lichtspiel in der sommerlichen Dünenlandschaft inspirierte die Ahrenshooper Künstler. Theobald Schorn malte die bunten „Fischländer Katen im Schnee“. (Foto: Gemäldegalerie Dachau)

18.01.2019

Inspirierende Beschaulichkeit

Die Gemäldegalerie Dachau zeigt charakteristische Werke der Künstlerkolonie Ahrenshoop

Ich kam hierher ganz ahnungslos, das Seebad zu genießen, da sah ich Maler Pilzen gleich rings aus der Erde schießen“, schrieb an der Wende des 19. Jahrhunderts ein Sommerfrischler an der Ostsee in das Gästebuch. Offensichtlich war er damals unvermittelt in die sich rasant entwickelnde Künstlerkolonie Ahrenshoop geraten. Ahrenshoop war ursprünglich ein winziges Fischerdorf in der damaligen preußischen Provinz Vorpommern auf der Halbinselkette Fischland-Darß-Zingst mit gerade mal 33 Einwohnern (1893).

Ungestörte Urtümlichkeit

Bereits 1882 hatte der an der Weimarer Kunstschule ausgebildete Carl Malchin in Ahrenshoop gezeichnet, ohne jedoch dort auf Dauer sesshaft zu werden. Die künstlerische „Kolonisierung“ begann mit Paul Müller-Kaempff. Der an der Karlsruher und Berliner Akademie der Künste geschulte Maler ließ sich zusammen mit seinem Studienkollegen Friedrich Wachenhusen 1890 in dem Fischerdorf nieder. Bald zogen zahlreiche weitere Künstler und Künstlerinnen nach. Sie alle waren fasziniert von der ungestörten Urtümlichkeit der Landschaft fernab urbaner Zivilisation, vom dauernden Wechselspiel der Farben durch Wind und Wetter, das die Landschaft und die weite See in immer neue eindrucksvolle Stimmungen tauchte.
1894 baute und eröffnete Müller-Kaempff in der Dorfstraße das erste Künstlerhaus, die Villa St. Lucas. Dort betrieb er zusammen mit Wachenhusen eine Sommermalschule für Frauen, die an den staatlichen Kunstakademien nicht aufgenommen wurden. Die große Nachfrage dieser Künstlerinnen in spe fand ein bissiges Echo im Berliner Tageblatt: „Wie die Heuschrecken überfielen die geölten Jungfrauen das Land“, las man dort im August 1907.
Die Künstlerkolonie wuchs stetig und mit ihr veränderte sich auch die Dorfarchitektur. Der Ort wurde attraktiver, Hocharistokratie besuchte ihn, Kunsthändler und Aussteller standen Schlange. Parallel entwickelte sich die Gegend zum viel besuchten Bade- und Sommerfrischeziel.
Der Erste Weltkrieg forderte seinen menschlichen Tribut und hemmte den künstlerischen Fortschritt. Das übernahm die zweite Künstlergeneration, die sich in der Weimarer Republik in Ahrenshoop niedergelassen hatte und sich in Klassischer Moderne versuchte. Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde Ahrenshoop vielfach ein Rückzugsgebiet für als „entartet“ diskreditierte Künstler.

„Leuchtturm“ in DDR-Zeit

Nach dem Zweiten Weltkrieg, nun in der „Sowjetisch Besetzten Zone“ dann zur DDR gehörig, hat der Vorsitzende des Kulturbunds zur demokratischen Erneuerung Deutschlands und spätere Kultusminister Johannes R. Becher die Künstlerkolonie als herausgehobenes politisches Kulturgebiet betrachtet und dort zahlreiche kulturpolitische Treffen einberufen beziehungsweise kulturelle Veranstaltungen gefördert.
Bis 1990 wurden Ausstellungen organisiert und Abhandlungen über die nunmehr drei Generationen von Künstlern der Kolonie geschrieben. 1994 wurde in Brüssel die EuroArt gegründet mit dem Ziel, ein Netzwerk zur Bewahrung und Belebung des europäischen Kulturerbes zu schaffen. Der Förderverein Ahrenshoop war Gründungsmitglied. Heute zählt EuroArt 45 Künstlerkolonien zu ihren Mitgliedern. Auch Dachau, die einstmals größte Künstlerkolonie Deutschlands, ist mit von der Partie, und nicht von ungefähr hat jetzt die Gemäldegalerie Dachau eine Sonderausstellung zur Ahrenshooper Künstlerkolonie ausgerichtet.

Erste und zweite Generation

Dem Besucher wird die seltene Gelegenheit geboten, auf 60 Gemälden, meist aus Privatbesitz, die erste und zweite Künstlergeneration der Kolonie kennenzulernen. So vermitteln die Bilder der Repräsentanten der älteren Generation wie Malchin, Müller-Kaempff und Wachenhusen nicht nur einen bleibenden Eindruck von der längst vergangenen idyllischen Ursprünglichkeit des Fischerdorfes und seiner Umgebung, sondern versetzen den Betrachter auch in alternierende Stimmungslagen: zum einen wild bewegter Himmel mit Lichteinwürfen über Land und schäumender See, zum anderen idyllisch besonnte, hinter Dünen geduckte Katen mit kleinem Hühnerhof. Die Vertreter der zweiten Generation, insbesondere Alfred Partikel, Hans Emil Oberländer und Hans Brass, verdeutlichen mit vielfach identischen Motiven die künstlerische Weiterentwicklung der Kolonie. Alle Exponate dieser mit großer Akribie arrangierten Sammlung sind in einem Katalog, textlich begleitet, abgebildet. (Reiner Oelwein)

Information: Bis 10. März 2019, Gemäldegalerie Dachau, Konrad-Adenauer-Straße 3, 85221 Dachau. Di. bis Fr. 11-17 Uhr, Sa. und So. 13-17 Uhr.

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