Kultur

Alle zwei Jahre treffen sich die "Bachwöchner*innen" in Ansbach. (Foto: Bachwoche Ansbach)

02.08.2021

Instrumentales Singen

Ansbach präsentiert wieder einen erkenntnisreich anderen Bach

Wenn jemand derzeit sagt: Diese Woche bin ich in Bayreuth oder Salzburg, weiß jeder, was grassiert: das Festspielfieber. Aber Ansbach ? Da wissen (nicht nur) die Geheimbündler Bescheid: die „Bachwöchner*innen“. Die kommen immer, wenn in Bayern die Sommerferien anfangen nach Mittelfranken und seine Regierungshauptstadt, um sich alle zwei Jahre wiederzusehen und J. S. Bach zu erleben. Das ist seit rund 70 Jahren so, auch wenn die Ansbacher Bachwoche nicht hier, sondern im 70 Kilometer entfernten Pommersfelden gegründet wurde. Honoratioren und Banker hatten sich das ausgedacht, dazu Musiker wie Karl Richter. Man legte ein Abonnement für die auf, die zum Cercle gehören wollten, und einen Freiverkauf für die, die aus der Umgebung herbeiströmten. Alle aber sind stolz auf diese Ansbachwoche Anfang August, auch wenn nach der Wende Konkurrenz in Bachs eigenen Landen dazu kam.

Andreas Bomba heißt inzwischen der Intendant. Er istein kundiger, unaufgeregter Impresario, der über Bach bestens Bescheid weiß, natürlich auch über die besten Bach-Interpreten derzeit und der dieses Jahr statt Blumen Honig an die Künstler*innen verteilen lässt. Mit seinem Team hat er auch in Corona-Zeiten eine Bachwoche auf die Beine gestellt: für das Publikum in Schachbrett-Sitzordnung, mit einem praktischen G-Pass für alle gebuchten Konzerte, mit seinen Lieblingen wie Angela Hewitt und Hans-Christoph Rademann, Ansbach-Entdeckungen wie Francesco Piemontesi, der zum ersten Mal die „Goldbergvariationen“ spielt, oder Yulia Avdeeva mit ihrem Piano-Querschnitt.

Mit einem Programm von der Stange begnügt sich die Bachwoche nicht. Selbst wenn Angela Hewitt ihr Programm frisch geprobt und aufgeführt vom eigenen Umbrien-Festival mitbringt: Das waren doch hübsche Geschichten von Bachs „Aria Variata alla maniera italiana“ bis zu den „Goldbergvariationen“ als Gustostück im Zugabenteil. All das spielt sie mit der ihr eigenen Energie und vielleicht weniger „alla italiana“ als kräftig „alla tedescha“. Aufrauschend pompös geriet die Orgel-Passacaglia BWV 582, arrangiert von Eugen d’Albert und mit elegisch verklingenden Schlussakkorden, wie sie die Hewitt besonders liebt.

Alles ist anregend in Ansbach, um darüber auch weiter nachzuforschen. Über diese „Aria Variata“ zum Beispiel: über den kleinen J. S., der sie als  Übungsstück ab- und aufschrieb, vielleicht selbst etwas dazu komponierte, was sein großer Bruder dann so bemerkenswert fand, dass er sich selbst ans Kopieren machte für den eigenen Sohn Andreas und dessen „Bach-Buch“.

Ansbachs Bach-Präsentation ist nichts, was man nur so einfach konsumiert. Schon gar nicht Rademanns Kantaten-Auswahl von BWV 98, 99, 100: alle auf den gleichen Text, der so vieles enthält, was man sich auch heute hinter die Ohren schreiben könnte, wie: „Was Gott tut, das ist wohlgetan“. Denn es ist für den barocken Bach klar: „Mein Arzt und Wundermann, wird mir nicht Gift einschenken vor Arzenei.“

Rademanns Stärkungsmittel für einen großartigen Kantatenabend sind seine  Gaechinger Cantorey, auch mit ihrem beeindruckend besetzten Orchester (Flöte, Oboe – alle Achtung!) und mit dem Chor stockwerkhoch über der Predigtkanzel. Und mit einem Solistenquartett vom Besten. Man vermutet, dass Bach die Kantate BWV 100  so prächtig ausgestaltet hat, weil sie ohne Terminanbindung ans Kirchenjahr immer gut gefragt war.

Das ehemalige Wunderkind und Brendel-Protegé Kit Armstrong, der „musicus doctus“ der Pianistenwelt,  vertraut weniger auf Gott ala auf „mathematische Wahrheit“, auch auf  die „Schönheit der kanonischen Form“ -  und führt in der Orangerie sein Trio für Oboe, Violine und Klavier als Auftragswerk der Bachwoche zum ersten Mal auf, eingebettet in eine intime Kammermusikumgebung Bach/Couperin. Das erfordert hochkonzentrierte Solisten mit enormer Intonationssicherheit, soll zwar eine „Hommage an J. S. Bach“ sein, klingt aber in seinen zehn Minuten nach romantischen Emotionen: „Ich liebe nichts mehr als das instrumentale Singen.“ Auch hier: Das ist das besondere Ansbach-Feeling, ganz anders als bei den psychotischen Heroinen von Senta bis Salome in anderen Festspielwelten. (Uwe Mitsching)

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