Kultur

Frederik Mayer, einer der beiden Jesus-Darsteller der Oberammergauer Passionsspiele 2020, lässt sich das letzte Mal von Barbier Adam Pfledrich rasieren. Von Aschermittwoch an gilt für die rund 2400 Mitspieler bis zum Ende der Passion im Oktober 2020 der Haar- und Barterlass. (Foto: dpa/Angelika Warmuth)

04.03.2019

Jesus beim Bader

Ab Aschermittwoch befolgen die Oberammergauer Passionsspieler wieder der Haar- und Barterlass

Sanft gleitet das Messer über die Wange. Zum letzten Mal für eineinhalb Jahre. Jesus - beziehungsweise sein doppeltes Double - ist zur letzten Rasur angetreten: Frederik Mayet und Rochus Rückel spielen bei der Passion in Oberammergau nächstes Jahr abwechselnd den Christus. Ab Aschermittwoch gilt der Haar- und Barterlass. Die Jesusdarsteller wie rund 2400 andere Oberammergauer - fast die Hälfte der Einwohner - dürfen sich dann Haare und Bart nicht mehr schneiden. Sie alle spielen bei der Passion mit.

Mit den Haaren wachse man nun langsam auch in die Rolle hinein, sagt Mayet. "Es ist etwas Besonderes. Es ist ein Zeichen, dass es losgeht mit dem Passionsspiel. Das ganze Dorf bereitet sich jetzt vor, alle gehen nochmal zum Friseur."

Das Laienspiel geht auf ein Gelübde zurück. 1633 versprachen die Oberammergauer, alle zehn Jahre die Geschichte vom Leiden, Sterben und der Auferstehung Christi aufzuführen, wenn niemand mehr an der Pest sterbe - was laut Überlieferung eintraf. Wie alle zehn Jahre werden somit bald wallende Bärte und lange Haare das Bild prägen.

Im Friseursalon Kretschmar herrscht dieser Tage reger Betrieb. Ständig klingelt das Telefon. "Unser Terminkalender ist gut gefüllt", sagt Inhaberin Katharina Daisenberger. Gerade hat sie Rückel, Student der Luft- und Raumfahrttechnik und mit 22 Jahren zweitjüngster Jesus, die dichten schwarzen Locken ein wenig gekürzt. Sein Bild von Jesus sieht freilich anders aus: "Blond und eher glattes Haar." Wie Mayet (39), der schon 2010 einmal den Jesus gab. "Aber ich hoffe, dass ich auch durchgeh'. Dunkel und lockig gab's ja auch schon", sagt Rückel.

Jetzt der Bart: Nur trimmen oder ganz weg? Der 84-jährige Barbier Adam Fledrich setzt das Messer an. Er hat schon Generationen von Christusdarstellern rasiert und stand selbst mit dichtem weißem Bart auf der Bühne. Bei Mayet ist der Bart kurz darauf weg - auch wenn das zu Hause nicht so gut ankommt: "Meine Frau hasst es, wenn ich glattrasiert bin." Seit der Passion 2010 habe er nur vier oder fünf Mal den Bart ganz wegrasiert, sagt er. Bei Rückel bleibt ein Schnurrbart stehen. "Ich find' das ganz cool, ein bisschen kolumbianisch", kommentiert er sein neues Konterfei im Spiegel.

Der Haar- und Barterlass gibt auch die Chance, mal modisch Neues zu probieren. Zudem geht der Fasching in den Endspurt. Am Aschermittwoch müssten die Friseure manchmal Schadensbegrenzung betreiben, sagt Daisenberger. Ein Kunde sei vor einer Passion als Clown gegangen, nur an den Ohren standen ein paar Haarbüschel. Lösung danach: Glatze.

Wann in der fast 400-jährigen Geschichte der Passion es erstmals einen Haar- und Barterlass gab, ist nicht überliefert. Auch ob der historische Jesus wirklich lange Haare trug, ist nicht erwiesen, wie der Neutestamentler von der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt, Ansgar Wucherpfennig, sagt. "Wir wissen wenig über die Haar- und Barttracht von Jesus und seinen Jüngern."

In den nächsten Monaten brauchen viele Oberammergauer erst mal keinen Friseur. Doris Renner vom Salon Bartl stellt sich auf ein eher schlechtes Geschäftsjahr ein. Einige kämen zwischendurch aber doch, um die Spitzen schneiden zu lassen. Die Menschen müssten ja nicht "wie die Neandertaler" herumlaufen. Auch Mitarbeiterin Miranda Grötzinger-Remmers kennt die Nöte mancher Kunden: "Es ist ja nicht so, dass alle noch Holzschnitzer sind, die nur im Dorf arbeiten. Wenn jemand anderswo arbeiten geht, sollte er schon auf das Erscheinungsbild Wert legen."

Daisenberger macht sich ums Geschäft keine großen Sorgen. "Es kommen viele Kunden aus den umliegenden Ortschaften." Zudem brauchten lange Haare Pflege. "Je länger die Haare werden, desto wichtiger wird das." Für die Bärte seien spezielle Öle und Seifen gefragt. Und: Waschen, Legen, Föhnen und auch Färben bleiben erlaubt. Nur Extravagantes wie Grün oder Lila wäre tabu. Die Haarpracht soll natürlich aussehen - auch wenn das nirgends ausdrücklich steht. Sollte jemand gegen die Haarvorschriften verstoßen, muss er bei den Spielen einen Strafobolus entrichten - gleich an der Garderobe. Höhe: noch offen.

Keinen Bart hat der Apostel Johannes - zu jung. Auch die römischen Soldaten sind glattrasiert, wie zur Zeit Christi. Oberammergauer als Soldaten bei der Bundeswehr wiederum durften jedenfalls bei früheren Passionen langhaarig auftauchen. "Mit langen Haaren und Bart beim Barras - da haben schon viele geschaut und den Kopf geschüttelt", sagt Mayet, der zur Zeit der Passion 2000 den Wehrdienst absolvierte. (Sabine Dobel, dpa)

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