Kultur

Spiel mit ernstem Hintergrund: Auf dem Karussell sollte früh kämpferische Geschicklichkeit geübt werden. (Foto: Bayerische Schlösserverwaltung)

27.06.2014

Die Prunkstücke des Großherzogs

Die Würzburger Residenz stellt Möbel aus, die Ferdinand III. von Toskana dort einst um sich hatte

Endgültig bayerisch wurde Würzburg vor 200 Jahren. Doch schon länger davor hatten die früheren Herren, die Fürstbischöfe, nicht mehr in ihrer prunkvollen Residenz residiert, die sie mit unvergleichlicher Rokoko-Pracht ausgeschmückt hatten. Das säkularisierte Hochstift war bereits 1805 von Napoleon einem Habsburger, dem Großherzog Ferdinand III. von Toskana (1769 bis 1824), dem Bruder des österreichischen Kaisers Franz II., zugesprochen worden, als Ersatz für sein italienisches Territorium, das ihm genommen worden war.
Der neue Fürst, ein Witwer (übrigens bei der Würzburger Bevölkerung hoch angesehen), zog 1806 in seine Residenz ein und richtete dort für sich und seine drei Kinder Appartements nach dem Geschmack der Zeit im Empire-Stil ein durch den französischen Architekten de Montfort.
Leider sind diese Räume im Bombenhagel des 16. März 1945 verlorengegangen. Immerhin waren die meisten Möbel ausgelagert; später wanderten die geretteten Stücke ins Depot. Lange vergessen, nagte der Zahn der Zeit an ihnen.
Nun aber ist wenigstens ein Teil dieser kostbaren Einrichtungsgegenstände restauriert und kann in der stimmungsvollen Schau So wohnte der Großherzog in der Residenz bestaunt werden. Der Besucher bekommt einen Eindruck, in welch glanzvollem Ambiente ein Fürst damals standesgemäß lebte. Historische Fotos – meist schwarz-weiß und nun teilweise vergrößert aufgebracht – zeigen, wie Wände und Decken dekoriert waren, welche Raumwirkung davon ausging.
Heute strahlen vor allem die restaurierten Einrichtungsgegenstände den Glanz dieser großherzoglichen Epoche aus. So war das Boudoir vorgesehen für die künftige zweite Ehefrau und die beiden Töchter, beim Einzug sieben bzw. vier Jahre alt (der Sohn wurde am Kaiserhof in Wien erzogen); das repräsentative Damenzimmer wurde erst 1810 fertig gestellt. Die Sitzmöbel aus hellem Ahornholz, Kanapee, sechs Armlehnsessel, sechs Stühle, vier Hocker waren mit fliederfarbener Seide bezogen, mit goldener Rosette auf der Sitzfläche und Lyra auf der Lehne. Aus derselben Seide, wellenartig bespannt, bestand auch die Wandverkleidung; darüber waren goldfarbene Querbehänge angebracht. Vervollständigt wurde die Einrichtung durch einen großen, roll- und kippbaren Standspiegel und einen runden Tisch – alles dezent verziert mit Silberbeschlägen.

Im Zeichen der Keuschheit

Prägendes Motiv dieses Raums war der Schwan, Symbol der Reinheit und Keuschheit. Drei Schwäne tragen den Tisch, und auch an den Lehnen kehrt das Motiv wieder. Der große Salon aber schwelgte in Gold und sanftem Weinrot. In dieser Farbe waren die Wände mit Seidentapeten mit eingewebtem goldenen Muster bezogen. Von der umfangreichen Ausstattung mit Möbeln, alle mit vergoldetem Rahmen, rot seiden gepolstert, sind nur noch wenige erhalten, so etwa Teil eines Diwans, Stühle, Hocker und auch ein Ofenschirm sowie Kissen und Quasten.
Die vergoldeten Leuchter und Kaminböcke waren aus Bronze. Keramiköfen in den Ecken fungierten als Kandelaber für Öllampen. Licht spendeten auch damals modische figürliche Standleuchter, mit Ägypterin oder geflügelter Göttin Nike als „Kerzenhalterinnen“; diese aus Holz gefertigten großen Leuchter sollten durch die dunkelgrüne Bemalung und die Goldverzierung patinierte Bronzen vortäuschen.
Im „Wohnzimmer“ der Toskanas herrschten Weiß, Gold und vor allem Rot vor. Es wurde aber nicht mehr rechtzeitig vor dem Auszug des Großherzogs fertig, so dass erst der nächste Schlossherr, der künftige bayerische König Ludwig I. den Raum mit seinen üppigen Seidendraperien und den Möbeln mit weiß lackierten Holzgestellen und geschorenen roten Samtbezügen genießen konnte; der Radleuchter im „modernen“ ägyptischen Stil sollte wiederum an Bronze erinnern, obwohl er aus Holz geschnitzt war.
Im Wachzimmer der herzoglichen Soldaten wiesen die Gestelle und Lehnen der Hocker bzw. Stühle auf Waffen, auf Schwerter und Pfeile hin; doch martialisch ging es da nicht zu, eher gemütlich. Ein Ausstattungsgegenstand aber hat, obwohl wir heute gar nicht mehr daran denken, einen militärischen Hintergrund: das große Karussell mit zwei Pferden und zwei Sitzschalen. Herzog Ferdinand ließ es für seine Kinder anfertigen. Diener konnten das „Ringelspiel“ in Drehbewegung versetzen durch Haltegriffe an den Sitzen. Doch mit einem harmlosen Kindervergnügen hat das Karussell eigentlich nichts zu tun. Ursprünglich war es erfunden worden zur militärischen Ertüchtigung schon in jungen Jahren, zur Übung für die Zielsicherheit im Stechen oder Hauen. So warfen Jungen oder auch Mädchen zum Beispiel mit Bällen aus der Drehbewegung heraus auf Ziele oder hieben mit kleinen Waffen auf Holzköpfe ein oder sie schleuderten kleine Lanzen und Speere auf einen Ring, gebildet aus einer Schlange; wer durch traf, hatte gesiegt.
Führen die geretteten und wieder hergestellten Möbel und Einrichtungsgegenstände uns anschaulich den Glanz einer kurzen glücklichen Zeit vor, so harren quasi hinter Gittern noch viele hervorragende Stücke auf ihre Restaurierung – was dringlich wünschenswert ist, wie die Ausstellung demonstriert. (Renate Freyeisen) Bis 31. Dezember. Residenz, Residenzplatz 2, 97070 Würzburg. Täglich geöffnet, April bis Oktober: 9 – 18 Uhr, November bis März 10 – 16.30 Uhr. www.residenz-wuerzburg.de
Information zur Spendenaktion:
spenden(at)bsv.bayern.de Abbildungen (Fotos: Bayerische Schlösserverwaltung)
Oben: Ein Bergère à oreilles, also ein Ohrensessel mit geschlossenen Armlehnen aus dem Großen Salon.
Mitte: Im Zeichen des Schwans stand der Dekor im Boudoir: Der Schwan gilt als Symbol der Reinheit und Keuschheit. Hier das Gestell eines Tisches.
Unten: Ein Sessel, der dringend restauriert werden muss. Die Schlösserverwaltung hat dazu eine Spendensammlung gestartet.

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