Kultur

Der letzte Raucher. Die Installation „DON’T EAT ME“ (Friss mich nicht gleich auf) von Tobias Rehberger im Schaufenster der Kunsthalle Nürnberg, in der Raucher ausdrücklich eingeladen werden, drinnen öffentlich zu rauchen – und damit selbst zum Teil des Kunstwerks werden. Foto Annette Kradisch

05.04.2012

Kettenraucher als Kunstobjekte

Beim „Jahr der Kunst“ in Nürnberg werden 30 Künstler in 30 Räumen präsentiert – Höhepunkt ist die Albrecht Dürer-Ausstellung im Mai

Die Kunst steht Kopf; oder stellt die Kunst doch nur die Welt auf den Kopf – oder vielleicht sogar vom Kopf auf die Füße? Im Staatsmuseum für moderne Kunst in Nürnberg nimmt das der Künstler Jeppe Hein ganz wörtlich, wenn er in seiner Installation Upside down (Kopfüber) den Besucher auffordert, durch ein Fernglas von oben auf die Arbeiten seiner Künstlerkollegen unten im großen Ausstellungsraum zu schauen – und dieser plötzlich alles verkehrt herum sieht.
Der dänische Künstler ist aber nur einer von 30 Künstlern, mit denen vier Nürnberger Kunstinstitutionen bis 30. Juni in einer einmaligen Kooperation das „Jahr der Kunst“, das sie 2012 für Nürnberg ausgerufen haben, eröffnen. Der Höhepunkt des Nürnberger Kunstjahrs wird im Mai die größte Dürer-Ausstellung in Nürnberg seit 40 Jahren, seit dem Dürer-Jahr 1971 zum 500. Geburtstag Dürers, im Germanischen Nationalmuseum sein.
Mit dem Titel „30 Künstler – 30 Räume“ spielt die Ausstellung im Staatsmuseum für moderne Kunst, in der städtischen Kunsthalle, im Kunstverein und im Institut für moderne Kunst auf das originelle Konzept eines neuen „Museums der Zukunft“ an, das Ende der 1960er Jahre der damals als Direktor der städtischen Kunsthalle nach Nürnberg berufene und international renommierte Dieter Mahlow für ein neues Museum für moderne Kunst in Nürnberg entworfen hatte: 30 lebende deutsche und internationale Künstler sollten in diesem geplanten Museum 30 Räume immer wieder so gestalten, dass sich die zeitgenössische moderne Kunst aufs immer Neue darin widerspiegele.


Das Konzept entstand 1960


Diesen Einblick in die jüngste Kunstszene der Gegenwart leistet die Nürnberger Gemeinschaftsausstellung allemal – und provoziert damit ebenso beeindruckend wie manchmal auch bedrückend das Kunstverständnis des Publikums. Wie etwa die Schweizer Künstlerin Zilla Leutenegger mit ihrer magischen, in der Kunsthalle eingerichteten Rauminstallation Vollmond, die wie in einem sich bewegenden Scherenschnitt die Silhouette einer jungen Frau zeigt, die in einem Zimmer mit einem leeren Bett nervös und unruhig herumgeistert. Oder das klaustrophobische Environment Kopfbahnhof von Max Frisinger, eine raum(über)füllende Assemblage aus Sperrmüll und Haushaltsschrott, die das vermeintliche Durcheinander und Drunterunddrüber in eine „künstlerische“ Ordnung bringt.
Im Schaufenster der Kunsthalle, von jedem Straßenpassanten draußen einsehbar, stellt Tobias Rehberger gleichsam die letzten Raucher aus – und dreht die allgegenwärtige Situation der „Draußen-vor-der-Tür-Raucher“ um: Die Raucher auf der Straße, die zum Rauchen in die Kunsthalle eingeladen werden, sind jetzt drinnen und werden leibhaftig ausgestellt, wenn sie in der Kunsthalle hinter der Schaufensterscheibe zum aktiven Rauchen, freilich hinter einem Vorhang, aufgefordert und damit nolens volens selbst zum Teil des Kunstwerks werden.
Aber nicht nur mit solch irritierenden Arbeiten wird Nürnberg mit dieser opulenten Ausstellung zu einem faszinierenden Kaleidoskop, in welchem man sich begeistert oder kopfschüttelnd seine Gedanken über die neuesten Facetten einer modernen Kunstszene machen kann. (Friedrich J. Bröder)

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