Kultur

„Die Großherzoging von Gerolstein“, eine Operette von Jacques Offenbach: Im Vordergrund Chloë Morgan, Eleonore Marguerre und Martin Platz, im Hintergrund der Chor. (Foto: Staatstheater Nürnberg, Bettina Stöss)

07.03.2023

Krieg mit Bleistift und Säbel

Jacques Offenbachs „Großherzogin von Gerolstein“ im Staatstheater Nürnberg

Die weibliche Querflöte hat einen Schnurrbart, die männlichen Klarinetten tragen Pailetten-Jäckchen und lange Röcke. Schon im Orchestergraben des Nürnberger Opernhauses heißt es „Jaqu’un à son goût“, und man weiß, da kann nur Jacques Offenbach auf dem Spielplan stehen. Das Staatstheater versucht es noch einmal mit der Großherzogin von Gerolstein, nach dem größten Flop der Nürnberger Opernhaus-Nachkriegsgeschichte (abgesetzt nach zwei Vorstellungen und vor Gericht geholt) jetzt nach 20 Jahren: Die Persiflage auf Kleinstaaterei, Militarismus, Adelssippschaft, diesmal inszeniert von Andreas Kriegenburg und aus dem großherzoglichen Archiv. Kriegenburg hat sich offenbar gefragt: Kann man in Kriegszeiten überhaupt eine Anti-Kriegs-Travestie spielen, wo der Witz triumphiert?

Das bleibt in Nürnberg lange unentschieden, man stellt zwar eine Inhaltsangabe ins Programmheft, wo von Truppen und Angriff die Rede ist, bringt aber dann doch eine Bürokratie-Persiflage auf die Bühne, die in einem hoch aufgetürmten Archiv im Keller spielt (Harald Thor): mit grauen Amtsmäusen in Einheitsklamotten, -perücken, -brillen, mit Rohrpost und Telefongestöpsel sowie dem Liebhaber in der Schublade.

Überlange Aufführung

Warum, wieso und mit welchem Mehrwert, das wird einem den ganzen ersten Teil der überlangen Aufführung nicht klar, erst im zweiten entschließt sich die eher wirre Regie zu einer stringenden Erzählung. Und die Zuschauer, die schon das Weite gesucht hatten, versäumten Offenbach weitgehend im Original. Da konnte man dann die Ansprache des Archivdirektors vergessen, die schon die Ouvertüre langatmig unterbrochen hatte und auf eine Slapstick-Komödie zuzusteuern schien oder das Loblied aufs Archiv als „Verkörperung des Geordneten“.

Das „Sprießen des Irrsinns“ hatte zwar erstaunliche Blüten getrieben, aber „piff, paff, puff“ wurde dann nach der Pause mit einer gewissen Logik erzählt, blieben nur periphere Fragen offen. Ob der gelb gewandete Prinz Paul denn nun schwul ist oder doch ein möglicher Heiratskandidat für die Großherzogin, der Diplomat Baron von Grog in Orange (klar: ein Holländer) den gelben Paul liebt oder doch seine Kinder im Käseland. Phasenweise hatte man befürchtet: Das steuert auf der nächste Debakel nach 2004 zu, aber dann triumphierten doch Offenbach und seine Librettisten.

Wunderbar lyrisch und militärisch mit Schmackes spielte das Staatsorchester unter Lutz de Veeer einiges vom Besten, was es von Offenbach gibt. Ein paar karnevalistische Züge durften durchaus sein: die Nürnberger-Bratwurst-Zinnteller als Stahlhelme oder der Schlachtensäbel von Papa Großherzog aus dem Germanischen Nationalmuseum.

Das Auf und Ab der Karriere des biederen Womenizers Fritz war mit dem Tenor Martin Platz großartig für jede mimisch-gestische Scharade besetzt. Eleonore Marguerre als Großherzogin singt fabelhaft, spielt machthungrig, liebenswürdig und sexbesessen. Dazu passt dann in Gottes Namen auch, dass der Brautstrauß für Fritzchens Wanda aus Papier vom Aktenvernichter ist oder die Mordwaffe gegen Fritz der frisch gespitzte Bleistift. Immer triumphiert der Cancan, am Ende die Liebe der kleinen Leute über Orden und Besoldungsgruppen. (Uwe Mitsching)
 

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