Kultur

Unsinnliches Tête-à-Tête zwischen Siegfried (Andreas Schager) und Brünnhilde (Daniela Köhler). (Foto: Bayreuther Festspiele/Enrico Nawrath)

05.08.2022

Läppisches Liebesspiel

In „Siegfried“ zeigt das Bayreuther Festspielorchester Schwächen

In Bayreuth machen viele Gaststätten – so sie überhaupt geöffnet haben – meist schon vor dem Ende der Aufführungen dicht. Personalmangel! Auf dem Hügel selbst gibt es Köstlichkeiten wie die Champagner-Bratwurst, und es herrscht überall eine fürchterliche Wespenplage. Und sonst? Ach ja, der „Ring“ geht weiter. Wem die Lust nach Rheingold und Walküre vergangen war, der wurde beim Siegfried erst mal positiv überrascht. Regisseur Valentin Schwarz erzählt mit ordentlicher Personenführung und schönen Einfällen vom bösen Zwerg Mime und seinem wilden Schützling Siegfried.

Letzterer hat Geburtstag, und statt des librettogemäßen, ekligen Sudes gibt es wohl nicht minder mundenden Kuchen. Mime (erheblich besser als im Rheingold, trotz eigenwilliger Intonation: Arnold Bezuyen) veranstaltet als Höhepunkt der Party ein hübsches Kasperletheater und mimt furios diverse Figuren. Der hereinschneiende Wanderer (wieder arg farblos: Tomasz Konieczny) wird von Bodyguards begleitet – ja, alle befinden sich irgendwie mitten in einem mafiösen Familienclan.

Im zweiten Aufzug ziehen der Rumpelkammer-Rüpel und sein Erzieher kurzzeitig in ein Loft um, dort dämmert Riese Fafner – ein Mensch wie alle – im Pflegebett vor sich hin und begrapscht seine Pflegekraft, vulgo Waldvöglein. Sie/Es beginnt zu weinen und wird von Siegfried getröstet, der es/sie wiederum, recht ungelenk, betatscht. Dazu kommen die einschlägigen schrägen Töne aus dem Graben – tolle Idee, prima umgesetzt! Überhaupt interessiert sich Siegfried hier schon sehr fürs weibliche Geschlecht, Mime gab ihm „daheim“ schon ein paar Pornobildchen.

Auf zum Flammenfelsen!

Fafner stirbt durch einen Herzinfarkt, was die anwesenden Leibwächter irgendwie nicht schert, Siegfried freundet sich mit Fräulein Waldvogel kurzzeitig an und entscheidet sich dann doch für den Almauftrieb Richtung Brünnhildes Flammenfelsen.

Ein paar Dinge klappern bis hierhin zwar auch, so fällt etwa dem Wanderer mal aus Versehen ein Revolver aus der Hose, aber das alles sieht man doch recht gerne und freut sich auf die Fortsetzung im dritten Aufzug. Leider überrascht dieser negativ.

Die Walküren waren ja schönheitsoperierte, bandagierte Girlies, die ausgestoßene Brünnhilde laboriert auch noch an der OP und läuft vermummt herum, sie wird von Siegfried sanft entblättert. Das wirkt blöderweise so gar nicht poetisch, sondern banal und läppisch. Dass er sie hernach mit der Dame auf dem Pornoflyer vergleicht, ist wiederum purer Sexismus. Und außerdem wird der ganze Punkt der Situation – ein junger Mann entdeckt seine Sexualität – verschenkt: Es gab ja das Vöglein, und es gibt das Printerzeugnis.

Noch unsinniger ist die Idee, Brünnhildes Pferd Grane als stummen männlichen Begleiter (Bodyguard? Ex-Lover? Familienmitglied?) herumwatscheln zu lassen. (Hagen ist als mitteljunger Mann ebenfalls öfter mit von der Partie, zuletzt sahen wir ihn als verschachertes Kind, gerne wüssten wir, was dazwischen passiert ist.)

Die Liebesszene von Siegfried und Brünnhilde wird zum Musterexemplar an Peinlichkeit und unsinnlichem Spiel. Andreas Schager versucht sich durch Händeringen und szenisches Outrieren zu retten, auch vokal ist er vorwiegend laut bis sehr laut. Daniela Köhlers Brünnhilde wirkt gerade mal solide. Wieder überzeugt Okka von der Damerau als Erda.

Die bitterste Enttäuschung diesmal ist das Festspielorchester unter Cornelius Meister. Ja, es gibt klanglich manch Schönes. Aber immer wieder stimmt die Koordination nicht, vor allem Schagers Siegfried singt gern vor oder nach seiner orchestralen Begleitung. Insgesamt fehlt es an Glanz, Farbe, Duftigkeit. Das liegt vielleicht nicht nur am Dirigenten, sondern auch an – so war zu hören – etlichen Um- und Neubesetzungen im Graben. Vom einst so homogenen Weltklasseklangkörper der Jahre vor Corona ist nicht mehr viel zu spüren. (Jörn Florian Fuchs)

 

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