Kultur

Ob Spitzentanz oder Modern Dance: Ein Tanzhaus sollte offen für alle sein. Zur Debatte steht auch ein eigenes Ausbildungsangebot. (Foto: dpa/Sina Schuldt)

05.02.2021

Langer Atem für ein Spitzenprojekt

Längst überfällig: Die Stadt München holt Expertisen für ein Tanzhaus ein

Man war schon mehr als überrascht, als die Stadt München im vergangenen Jahr eine Machbarkeitsstudie für ein Tanzhaus ausschrieb. Ausgerechnet in den finanziell knappen Corona-Zeiten? Aber im Februar 2020 sah die Lage noch nicht so bedrohlich aus. Möglicherweise gab es auch noch im städtischen Subventionstopf entsprechend verfügbares Budget. Jedenfalls waren für die Mitarbeit an dieser bis zum 15. Januar 2021 laufenden Studie 10 000 Euro in Aussicht gestellt worden.

Tanzbegeisterte freuen sich über dieses längst überfällige und nun wieder einmal angedachte Projekt einer Heimstätte für den zeitgenössischen Tanz. An Vorschlägen und Konzepten dazu hat es wahrlich nicht gefehlt. Gleich zu Beginn der in den frühen 1980er-Jahren sachte aufblühenden freien Tanzszene hatte der daran maßgeblich fördernd beteiligte Joint-Adventures-Chef Walter Heun zusammen mit Tanztheaterfrau Birgitta Trommler, eine Tanzhaus-Idee für die damaligen Arri-Studios entwickelt: „In der Folge waren natürlich viele Modelle im Gespräch“, so Heun. „Ich selbst habe Tanzhaus-Konzepte entworfen für das Amerika-Haus am Karolinenplatz, für die alte Kongresshalle auf der Bavaria und die spätere Freiheizhalle.“

Umgesetzt wurde davon jedoch gar nichts – obgleich sich neue Compagnien formierten, junge Choreograf*innen zuwanderten. Inzwischen sind immerhin 25 Tanzschaffende allein schon in dem städtischen Verein Tanztendenz München (TTM) zusammengeschlossen. Diese wurde 1985/86 gegründet mit Walter Heun als Geschäftsführer. Sie bietet im Lindwurmhof Räume fürs Training und für Workshops verschiedener Stilrichtungen, für den Austausch mit lokalen und internationalen Gästen und praxisnahe Unterstützung künstlerischer Produktionen. Die TTM ist also eine Art Vorstufe zu einem Tanzhaus.

Was muss nun diese künftige Institution leisten? Soll sie choreografische Produktionsstätte sein und/oder Gastspielort? Für beides wären eine adäquate Bühne und Probenräume erforderlich. Soll der Verein „Tanz und Schule“ mit ins Boot geholt werden, der ja auch veranstaltet, bis hin zu großen Kinder- und Jugendfestivals? Und sollte diese Einrichtung auch eine gewichtige pädagogische Funktion erhalten, sprich: nicht nur mit Kursen für alle, wie sie das TTM anbietet, sondern mit einem soliden Ausbildungssangebot?

Fragen zur Betriebsform

Die bürokratisch wortdichte Ausschreibung erbat auch Vorschläge für „strukturelle Umsetzungsmöglichkeiten und Finanzierung sowie die Betriebsform eines Tanzhauses“ – ein ganz schöner Brocken. Zudem sollte diese Machbarkeitsstudie „in enger Kooperation mit der Münchner Tanzszene entstehen“, was die Sache noch verkomplizierte – wenn man nur die 25 Tanztendenz-Mitglieder zählt.

Letztlich kann man natürlich vieles vorschlagen – aber wer hat am Ende die Expertise für solche komplexen Planungs- und Leitungsaufgaben? Walter Heun, tanzhauserfahren durch seine neunjährige Leitung des Tanzquartiers Wien, reagiert gelassen: „Es geht hier ja erst einmal um eine grundlegende Analyse: Was sind die Vorteile, die ein Tanzhaus bringt? Wo in der Stadt sind sein Platz und die Beziehungen zu anderen Häusern? Wo findet dieses Tanzhaus räumlich seine Heimstätte? Und natürlich: Welche Betreiberstruktur könnte für welches Tanzhaus-Modell geeignet sein?“

Bleibt für den Betrachter von außen die dringliche Frage: Wie wird das Tanzhaus finanziert? „Geld ist jetzt sicher keines da, aber das kann fürs Timing ja auch ein Vorteil sein“, so das Argument von Stefan Sixt, Tanztendenz-Mitbegründer, zehn Jahre im TTM-Vorstand und „Architekt“ des Münchner Iwanson-Ausbildungsinstituts für zeitgenössischen Tanz. Er sagt: „Das Tanzhaus ist ein Projekt für Jahrzehnte. Deshalb ist es so wichtig, dass unabhängig von Individualinteressen geplant wird.“ Man müsse bei diesem Projekt von Anfang an „ergebnisoffen aufgestellt sein. Es müssen die Staatsballette mitgedacht werden, die Tanzwissenschaft und selbst Initiativen, die es jetzt noch gar nicht gibt.“

Als Beispiel einer multi-möglichen Institution verweist Sixt auf den Gasteig: „ Da befruchten sich Vermietbetrieb, Musikhochschule, Philharmoniker und Stadtbibliothek gegenseitig zu einem kulturellen Publikumsmagnet. So stelle ich mir das auch bei einem Tanzhaus vor.“

Ähnlich weitblickend argumentiert Walter Heun, als Mitbegründer und ehemaliger Präsident des European Dance House Network, kenntnisreich auf diesem Gebiet. Es brauche für die Gestaltung eines Tanzhauses Erfahrung nicht nur auf der lokalen Ebene, sondern in einem weit größeren Kontext. „Man wird sehen, wer sich bewirbt. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass sich auch Bewerberinnen und Bewerber von außen aufstellen und dann den Blick von außen auf die Münchner Tanzszene werfen. Ich weiß, wie viele Begehrlichkeiten entstehen können und wie vieles man auch falsch machen kann. Aber die Chancen sind unglaublich gut!“ (Katrin Stegmeier)

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