Kultur

Einfach die Kamera draufhalten, oder die Akteure anleiten? Eine Frage, die auch beim diesjährigen Dok.fest diskutiert wird. Hier ein Filmstill aus der München-Premiere "Sommer, Winter, Sommer – ein Landarzt in Niederbayern" von Harald Rumpf. (Foto: dokfest)

10.05.2013

Lauter Verabredungen

Dok.fest München: Beobachtung pur oder arrangierte Wirklichkeit?

Spektakuläre Bilder, atemberaubende Aufnahmen: Dokumentarfilme in immer besserer technischer Realisation entführen ihre Zuschauer in eine ferne Welt, erlauben einen Einblick in Orte, in Geschichten und fremde Schicksale. Fragt sich nur, wie real diese Welt da noch ist, die uns vom Bildschirm oder der Leinwand entgegenflimmert. Real ist sie nie, behauptet Daniel Sponsel, Festivalleiter des Dok.fest München (bis 15. Mai). Sich einen Dokumentarfilm mit dem Anspruch auf Wahrheit und Realität anzusehen, hält er für falsch. Schließlich sei auch der Dokumentarfilm als mediale Form eine Übertragung von Pixeln in Zeichen und per se ein Produkt: „Ein Dokumentarfilm kann also nie die Realität abbilden.“
Was macht dann den Unterschied zum Spielfilm aus? Für Daniel Sponsel ist das eine Handvoll Verabredungen, die mit dem Zuschauer getroffen werden: „Die Menschen, die ich da sehe, sind echte Menschen. Jemand, der ein Bauer ist, ist ein Bauer. Nicht ein Schauspieler. Der Bauer, macht das, was er eigentlich macht. Ich zwinge ihn nicht Raps zu säen, wenn er Raps nicht sät. Zwinge ich ihn, greife ich zu sehr ein.“
Und greift der Dokumentarfilmer zu sehr ein und arrangiert: Darf der Film sich dann nicht mehr Dokumentarfilm nennen? Doch, meint der Filmexperte, aber nur, wenn der Macher offen damit umgeht. Ein Genre – völlig unterschiedliche Ansätze und Ergebnisse: „Es gibt zwei Meinungen, wenn es um Dokumentarfilme geht. Die einen sagen, wenn du einen Dokumentarfilm machst, dann musst du so wenig wie möglich eingreifen. Und da gibt es die anderen, die mit der Kamera etwas auslösen wollen, eingreifen und provozieren wollen“ – á la Michael Moore (Bowling for Columbine, Fahrenheit 9/11).
Die Transparenz macht den Unterschied, definiert Daniel Sponsel. Der Film müsse immer klar machen, welche Verabredungen getroffen wurden. Enthält er beispielsweise fiktive Elemente, darf er dem Zuschauer nicht vorgaukeln, er hätte es mit Fakten zu tun. Wird Archivmaterial hinzugezogen, müsse es sich um echte und nicht um nachgestellte Szenen handeln. Fiktion gehe nur dann, wenn man sie kenntlich macht.

Absolutes No-Go

Doch Täuschungsversuche kommen durchaus vor. Beim vergangenen Dok.fest wurde ein Film gezeigt, der dem Zuschauer nicht klar machte, woran er ist: This Ain’t California von Marten Persiel behauptete, auf reinen Fakten zu basieren; im Nachhinein stellte sich das Gegenteil heraus. Ein fiktiver Protagonist, nachgedrehtes Archivmaterial: ein absolutes No-Go, so Daniel Sponsel. Der Film wurde trotzdem gezeigt, allerdings in der Kategorie „Fiktive Dokumentarfilme“.
Ob fiktiv oder ganz nah dran, ob rein auf Unterhaltung oder auf Information ausgelegt, ob spektakuläre Bilder oder verwackelte Momentaufnahmen: Allen Dokumentarfilmen ist gemein, „dass das ‚wie erzähle ich’ genauso wichtig ist, wie das ‚was erzähle ich’“, sagt Festivalleiter Sponsel. Oder anders gesagt: Darstellung und Thema müssen zusammenpassen. Denn was in dem einen Film richtig erscheint, kann in dem Anderen ein Fehlgriff sein.
Auch dieses Jahr greift das DOK.fest in die unterschiedlichen Dokumentarfilm-Töpfe. Letztlich geht es nur um die Qualität: Erreicht der Film die Zuschauer, erzählt er auf seine Art überzeugend und ergreifend, dann gelingt ihm der Sprung in den Festivalkatalog – egal, ob rein beobachtend, arrangiert oder gar fiktiv. (Maria Romanska)

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