Kultur

Die Gebirgsgegenden um Berchtesgaden, Ramsau und den Königssee lagen auf der Route vieler Maler nach Italien. So entstand der Malerwinkel am Königssee. Mit dem Siegeszug der Postkarte ab den 1870er-Jahren verschickten auch Sommerfrischler Ansichten ihrer Urlaubsorte. (Foto: HDBG)

17.05.2018

Lukratives Sonntagsbild

In seiner Landesausstellung „Wald, Gebirg und Königstraum“ deckt das Haus der Bayerischen Geschichte die Bestandteile des „Mythos Bayern“ auf

Das landläufige Deutschlandbild etwa des Durchschnitts-amerikaners ist geprägt von Bayern, genauer: von Oberbayern. Wald, schöne Landschaften, Seen, Berge haben allerdings auch andere Landstriche. Also warum gerade Oberbayern? Was macht den Mythos aus? Diesen Fragen geht die bayerische Landesausstellung Wald, Gebirg und Königstraum. Mythos Bayern vor malerischer Kulisse in Kloster Ettal nach.
Neben den landschaftlichen Reizen faszinieren die bayerische Lebensart, die Biervielfalt, die Tracht und nicht zuletzt das Herrscherhaus, allen voran König Ludwig II. und seine Disneyland-tauglichen Königsschlösser. Doch neben der Gemütlichkeit (ein Ausdruck, der es als Fremdwort in die englische Sprache geschafft hat) waren es sicher auch das bayerische Selbstbewusstsein und wirtschaftliche Erfolge, die Balance zwischen Fortschritt und Tradition, was der häufig belächelte Ausspruch von „Laptop und Lederhose“ gar nicht so schlecht umreißt.

Der Bayer geht ins Holz

Am Anfang aber steht der Wald, der dunkle, furchterregende Wald, bevölkert von wilden Tieren, Geistern und Gesindel. Niemand wäre in früherer Zeit auf die Idee gekommen, in den Wald zu spazieren. Man ging dorthin zum Jagen – sei es legal oder als im Nachhinein romantisch verklärter Wilderer –, zum Beeren- und Schwammerlsuchen, zum Sammeln von Brennmaterial oder zum Schlagen von Holz – weshalb der Bayer bis heute nicht in den Wald, sondern ins Holz geht. Man benötigte das Holz zum Bauen, aber auch zur Glasherstellung, zur Herstellung von Musikinstrumenten, Spielzeug und Plastiken, die die Bauern an den langen Winterabenden, an denen es draußen sowieso kaum etwas zu tun gab, gewissermaßen im Nebenerwerb schnitzten. Die Herrgottschnitzer von Oberammergau zum Beispiel erlangten überregionalen Ruf und wurden im 19. Jahrhundert – wie die Wilderer – zu einem Mosaiksteinchen im großen Bild des Bayern-Mythos. Erst im 19. Jahrhundert verlor der Wald seinen Schrecken und wurde zu einem der großen Elemente, die den Mythos Bayern ausmachten.
Gewissermaßen über die Kesselbergstraße geht es in der Ausstellung von der ausführlichen Darstellung von Wald und Holzverarbeitung hinauf zu den nächsten Elementen: dem Gebirge mit seinen malerischen Seen, in diesem Fall vom Kochel- zum Walchensee.
Die Berge bilden die imposante Kulisse zu den idyllischen Bildern von Wald, See und Bergen, gerne garniert mit einem Kircherl, einer Sennhütte und Bergbewohnern in Sonntagstracht. Nichts ist auf diesen Bildern der sogenannten Münchner Schule von der schweißtreibenden Arbeit der Holzarbeiter und der Armut der Hüterbuben zu sehen. Solche Bilder, in gefälligem, wohnzimmertauglichem Format, gingen seit dem 19. Jahrhundert weg wie die sprichwörtlich warmen Semmeln und boten Legionen von Landschaftsmalern Ein- und Auskommen. Eine Karikatur, erschienen 1874 in Über Land und Meer, zeigt die friedliche Belagerung von Frauenchiemsee durch unzählige Künstler. Die Gemälde bilden jedoch nur einen kleinen Teil der durchwegs hochkarätigen und aussagekräftigen Exponate.
Zum klischeehaften Bild des Bayern gehören natürlich auch der biertrinkende, schuhplattelnde Bursch in Tracht und das dazu passende fesche Dirndl. Hubert von Herkomer, aus der Gegend von Landsberg am Lech stammend, brachte dieses Bayernbild auch in seine neue Heimat England. Sein Bavarian Dance zeigt den Schuhplattler noch als Paartanz in einem Wirtshaus, während die an den Tischen sitzenden ortsfremden Städter den Bayern gewissermaßen beim Bayer-Sein zusehen.
Die Passionsspiele in Oberammergau, einem Ort, der auch mit seinen malerischen Häusern mit zum Teil äußerst kunstvollen Lüftelmalereien punkten konnte, Bauernbühnen in verschiedenen Orten, sentimentale Romane und später Heimatfilme waren weitere Mosaiksteinchen des Bayern-Mythos. Die Tracht war erst durch König Max II. und seine alpenbegeisterte Frau Marie, eine gebürtige Prinzessin von Preußen, salonfähig gemacht worden. Er selbst ließ sich in kurzer Lederhose abbilden, und ihm ist es zu verdanken, dass bis heute hierzulande bei offiziellen Anlässen nicht nur Abendgarderobe erlaubt ist, sondern auch Tracht. Überhaupt waren die Wittelsbacher in vielfacher Hinsicht an der Schaffung des Mythos beteiligt. König Ludwig II. setzte dann der ganzen Sache die Krone auf, mit seinem geheimnisumwitterten Leben und Sterben, seinen geplanten und vor allem seinen realisierten Königsschlössern.
In Bayern scheint die Welt noch irgendwie in Ordnung. Oder wie es die Kuratorin der Ausstellung, Margot Hamm, zusammenfasst: „Der Mythos ist ein Sonntagsbild, das wir gut in die Welt hinaus verkaufen.“ Und wenn man dieses Bild schon in alle Welt getragen hat, sollte man es den Touristen auch vor Ort bieten.  (Cornelia Oelwein)

Information: Bis 4. November, Benediktinerabtei Ettal, Kaiser-Ludwig-Platz 1, 82488 Ettal. www.landesausstellung-ettal.de

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