Kultur

Verführung nach allen Regeln der Kunst: Verena Ehrmann als Mirandolina. (Foto: Ingrid Rose)

12.10.2012

Mechanische Gefühlswelt

Zweimal Goldoni in Bamberg und Landshut

Carlo Goldoni (1707 bis 1793) gehört zu den viel diskutierten Meisterdramatikern; die Bewertung geht durch die Jahrhunderte vom „Schmierhanns“ (Johann Georg Hamann) bis zum „Wunder der Anmut“ (Heinrich Mann). Der Venezianer gilt als Bühnenrevolutionär, der die schrillen Prototypen der Commedia dell’Arte mit wirklichem Leben füllen wollte. Seine Charaktere zeigen die Mechanik des Gefühlslebens – aber nicht unbedingt immer viel Gefühl. Goldoni konstruiert seine Geschichten entlang der menschlichen Motive der Handelnden, an den Motiven hängen sie dann wie Marionetten, und es ist gar nicht so leicht, daraus auf der Bühne wirkliche Menschen zu machen.
Wie so etwas gelingt, zeigen jetzt zwei Inszenierungen auf bayerischen Bühnen: Mirandolina in Bamberg in einer zackig durchrhythmisierten Inszenierung von Heidemarie Gohde, Der Diener zweier Herren in Landshut in eher intellektuellem Zugriff durch Sven Grunert.
Regisseurin Gohde und ihr Ausstatter Jens Hübner haben die Bühne im Festzelt am Leinritt mit der Technicolor-Welt der 50er Jahre ausgestattet: In Bamberg spielt sich Goldonis Klassiker ab, als sei es ein Film mit Vico Torriani. Das Publikum darf sich in dieser Inszenierung fühlen wie im Urlaub. Die Geschichte von der schönen Wirtin, der alle Männer verfallen, weil sie sämtliche Maßnahmen der Verführung einzusetzen weiß, ist zeitlos: Die Liebe ist ein Gefühl, das nur sehr am Rande etwas mit der Realität zu tun hat und viel mehr mit Verstellung, Einbildung und Lüge. Mirandolina weiß das, und weil der Cavaliere di Ripafrena sich keinen Deut um ihren Liebreiz schert, will sie ihn nach allen Regeln der Kunst verführen. Das gelingt, und der Cavaliere muss, nun selbst entbrannt, Buße tun dafür, dass er die Regeln nicht befolgt hat. Denn die zeitlos gültigen vertraglichen Regeln des sich Verliebens beinhalten den gegenseitigen Respekt vor bewusster Täuschung und der Produktion schönen Scheins. Florian Walter als Cavaliere und Verena Ehrmann als Mirandolina sind die konzentrierten Zentralsterne dieser Inszenierung, in der Goldonis Gefühls-Mechanik höchst unterhaltsam offen gelegt wird.

Pantalone als Mafioso

Das gelingt auch im „kleinen theater“ in Landshut, wo Intendant Grunert und seine Spieler versuchen, Menschen aus den Protagonisten zu modellieren, die heute noch zu verstehen sind. Aus der Bühne wird ein zeitloser Raum (Bühnenbild: Helmut Stürmer) mit Anklängen ans Italienische: Sebastian Gerasch ist als Pantalone ein bemerkenswerter Mafioso, eine Wasserpfütze ist der Canale Grande, dann und wann dudeln Italo-Schlager. Grunert sucht hinter jedem der Goldoni-Typen ihre Bühnen-Mechanik erst, als Spieleröffnung, zu zeigen und anschließend unter viel praller Handlung wieder zu verbergen. Vor allem Julius Bornmann gewinnt als vom Hunger dauergeplagter Diener Arlequino viel Raum und Dimension in einer Inszenierung, die, etwas gestrafft, noch mehr Schwung hätte bekommen können. (Christian Muggenthaler)

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