Kultur

Bravi erntete das Ensemble am Theater Regensburg für seinen "Lohengrin." (Foto: Theater Regensburg

01.10.2010

Miesepetriger Querschnitt

Umjubelter „Lohengrin“ am Theater Regensburg

Als blonden, weiß gekleideten Knaben auf dem Schaukelpferd hatte ihn die böse Ortrud während der Ouvertüre erstochen und ins Kellerloch gestoßen. Am Ende kommt er böse lächelnd und ganz in Schwarz gekleidet wieder auf die Bühne. Gottfried von Brabant ersticht seine Schwester und übernimmt mit der Friesenfürstin die dunkle Herrschaft an der Schelde.
Dazwischen liegen 100 Jahre deutscher Geschichte und enttäuschter Hoffnungen: zumindest in einem umjubelten Lohengrin am Theater Regensburg. Generalmusikdirektor (seit 2009) Tetsuro Ban hatte sich Wagner gewünscht – in Michael Sturm hatte man einen Regisseur gefunden, der große Oper an kleinen Häusern inszenieren kann und die Schwanenrittergeschichte nicht am Ufer der Schelde, sondern in einem nobel, aber verdächtig braun getäfelten Vereinslokal spielen lässt (Bühne und Kostüme von Hannes Neumaier).
Wenn man dessen Perspektive um 180 Grad dreht, kann auch ein passabler Schauplatz für den 2. Akt daraus werden oder ein blumenbestreutes Brautbett: so hart, dass sich Elsa nicht auf die Kissen locken lässt, sondern lieber die berühmte Frage stellt.
Hauptakteure dieser Jahreshauptversammlung deutschen Wesens sind Bischöfe, Burschenschaftler, bürgerliche Honoratioren (detailreich geführt von der Regie, prächtig bei Stimme in der Einstudierung von Christoph Heil): mal im kitschigen Hochzeits-Templermantel, mal in allen Kostümfacetten des Kaiserreichs – die schwarze SS-Uniform des Heerrufers (Seymur Karimov) signalisiert, wohin das alles führen sollte.
Vor diesem miesepetrig aufgereihten Deutschland-Querschnitt hält König Heinrich am Rednerpult seine „Frisch ins Feld“-Rede und platzt barfüßig zur Rettung der per Umhängeschild gebrandmarkten „Mörderin“ Elsa ein weiß gekleideter, blonder Lohengrin herein. Die Feder in seiner Hand stammt wohl weniger vom Schwan, sondern ist Zeichen seiner Dichter-/Künstler-Zunft.
Denn das wollen Michael Sturm und sein Bühnenbildner in diesem Lohengrin zeigen: das Künstlerdrama, mit dem Wagner zuvörderst sich selber meint, und das Drama der enttäuschten demokratischen Hoffnungen seit 1848.
Das gelingt ohne allzu weit hergeholte szenisch-dramaturgische Verrenkungen, Sturm muss keinen Bautrupp wie in München oder Laborratten wie in Bayreuth bemühen. Er holt aber zu einigen durchaus berechtigten ironischen Seitenhieben aus, lässt das Strindberg-Paar Telramund und Ortrud (Adam Kruzel und Chariklia Mavropoulou) chargieren, dass die Fetzen fliegen – und singen, dass das Theater am Bismarckplatz in seinen Grundfesten bebt: kräftig-voller Wagner-Klang, die Rampe als des Sängers liebster Ort.

Ohne Fehl und Tadel

Nicht nur hingegeben lyrisch-blass, sondern mit kräftigen Zweifeln stattet Allison Oakes ihre Elsa aus. Sung-Heon Ha ist ein ansprachenfreudiger, freundlicher Bundespräsident, Michael Putsch nähert sich der Titelpartie mit stimmschonender Verhaltenheit, viel souverän eingesetzter Technik, die ihn bis zu einer respektablen Gralserzählung und einem stimmlich ungefährdeten „Abschied“ rettet. Da allerdings kommt er im korrekten schwarzen Anzug und mit festem Schuhwerk auf die Bühne: Seine Feder, jetzt in Schwarz, bleibt der immer noch somnambul verliebten Elsa als letztes Vermächtnis.
Das Philharmonische Orchester durfte zum Schlussapplaus mit auf die Bühne und sich für eine Orchesterleistung ohne Fehl und Tadel bejubeln lassen: von der eher kernigen als ätherischen Ouvertüre angefangen über die schwelgerische Lyrik von Brautzug und -gemach bis zum schwungvollen Vorspiel zum 3. Akt und die tadellos von Rängen und Logen tönende Verwandlungsmusik zum Finale: Bravi für alle. (Uwe Mitsching)

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