Kultur

Als Arabella-Interpretin begeistert Ekaterina Godovanets, hier umgurrt von Martin Platz alias Graf Elemer. (Foto: Jutta Missbach)

07.02.2014

Morgenmantel statt Abendrobe

Je länger "Arabella" am Staatstheater Nürnberg dauert, desto gelungener zeigt sich die Inszenierung

Am Ende kommt Arabella nicht die große Hoteltreppe in wallender Robe herunter, um Mandryka das Verlobungsglas Wasser zu reichen. Sondern die Mauern des gerade im Umbau befindlichen Ringstraßenhotels gleich neben der Oper tun sich auf und ein rot glitzernder Sternhimmel signalisiert „Apotheose“ – als hieße die Oper nicht Arabella sondern Ariadne auf Naxos. Und die schöne Grafentochter aus verarmtem Hause hat auch nur einen Bademantel an.
Überhaupt ist der Nürnberger Neuinszenierung der „Lyrischen Komödie“ von Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss je länger sie dauert, desto Schöneres, Einleuchtenderes gelungen. Und hat der Dirigent des Abends, GMD Marcus Bosch, endlich trotz aller süffigen Strauss-Instrumentierung zu dem Ton gefunden, der das geistreiche Parlando Hofmannsthals nicht überschwemmt und ertränkt.

„Rosenkavalier“ fortgesetzt

So hatte die Premiere im Opernhaus nämlich angefangen: Im Art-Déco-Hotel mit Bauhausmobiliar hatte man nur Bahnhof verstanden. All die Details in den soziokulturellen Farben von 1860 (dort hatten die Autoren das Stück angesiedelt), einer bankrotten Adelsfamilie waren untergegangen in Boschs übervollem und allzu zügigem Zugriff auf die Musik. Oder fanden in Andreas Baeslers teils ungenauer Regie überhaupt nicht statt. Da dachte man schon, die Nürnberger Staatstheater-Aufführung würde im gleichen Unverständnis enden wie zuletzt Aufführungen in Berlin, Paris und München – statt im Erfolg der Uraufführung von 1933, die sich für Strauss auch geschäftlich als das beste Ergebnis seit dem Rosenkavalier herausstellte.
An den Rosenkavalier erinnert in Arabella vieles in der Szenenstruktur und in der Musik – eine Art Fortsetzung hatte sich Strauss ja auch von Hofmannsthal gewünscht. Die wäre für die Akte 2 und 3 vielleicht auch noch besser geworden, wäre Hofmannsthal nicht gestorben und hätte sich der Komponist mit dem noch nicht ausdiskutierten Entwurf begnügen müssen. Aber wie sollen sich auch philosophische Grundsatzfragen und fast ins Tragische umkippende Situationen auf „eins, zwei“ klären lassen als mit den „himmlischen Längen“ des letzten Akts? Baesler hat hier im unterkühlten Ambiente von Star-Bühnenbildner Harald B. Thor nie grob in das Stück eingegriffen, erreicht im Faschingsdienstags-Akt eine einleuchtende Balance zwischen Hofmannsthals genauso bitterer wie blühender Lyrik und der Bizarrerie eines Tuntenballs.
Da bleibt denn bis zum Schluss viel Raum für die schwelgerische Musik und das innig empfundene Libretto. Dass solche Wünsche wie Arabellas „Dein Haus wird mein Haus sein, in deinem Grab will ich mit dir begraben sein“ angesichts aktueller Scheidungsraten oder die anrührenden Bilder aus Mandrykas Heimat, wenn der Balkan nur noch als Prekariat wahrgenommen wird, nicht mehr verstanden werden – das kann man nicht dem Stück anlasten.
Die Arabella von Ekaterina Godovanets jedenfalls machte sängerisch wie darstellerisch vieles deutlich, was man über diese Figur wissen muss und erfahren will. Sie setzt damit die Reihe der großen Arabella-Darstellerinnen seit Lisa della Casa bewundernswert fort, durchaus mit einer Spur mehr realistischer Erdung.

Farbiges Orchester

Dass Jochen Kupfer für den effektvollen Bärentöter-Auftritt im Pelzmantel nicht der Richtige sein würde, ahnte man. Aber für den Rest der Oper war er mit betörend schönen Baritontönen ein Zerrissener zwischen seinen Gefühlen, ein glaubhaft um Vergebung Bittender. Michaela Maria Mayer war mit Bubenfrisur und Hosenträgern als Zdenka genauso authentisch wie im Nachthemdchen, in dem sie sich dem von Leidenschaft zerfressenen Matteo hingegeben hatte (mit viel Verzweiflung in der Stimme: Martin Nyvall).
Und Marcus Bosch hat mit seiner Staatsphilharmonie noch rechtzeitig genug eingesehen, dass es zwischen Rheingold und Walküre des neuen Nürnberger Rings auch noch andere Töne gibt – auch bei einem noch farbiger besetzten Orchester. (Uwe Mitsching)

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