Kultur

Franz Welser-Möst am Pult des BZ-Symphonieorchesters. (Foto: Astrid Ackermann)

10.07.2020

Mozart in der Endlosschleife

Franz Welser-Möst dirigiert das BR-Symphonieorchester

Er ist ein solider Kapellmeister. Das ist für sich genommen sehr löblich. Allerdings darf man von Franz Welser-Möst keine frischen, aktuellen Befragungen erwarten. Der 59-jährige Dirigent aus Österreich mag es ganz traditionell: auf Grundlage solider Konvention eben. Genau das kann aber zu einem Problem werden, wenn ein Chefdirigat bei einem großen Symphonieorchester ansteht. Und darum geht es derzeit beim Bayerischen Rundfunk (BR).

Es ist kein Geheimnis, dass die ersten Publikumskonzerte beim Symphonieorchester des BR auch um die Frage kreisen, wer dem verstorbenen Chefdirigenten Mariss Jansons nachfolgt. Der Corona-Lockdown hatte in dieser Angelegenheit beim BR einige Versuchspläne jäh durchkreuzt. Umso auffallender ist die Auswahl der jetzt eingeladenen Dirigenten. Bis auf Giovanni Antonini sind es durchwegs Persönlichkeiten, die auf der Liste der potenziellen Kandidaten stehen.

Unter Daniel Harding wurde kürzlich bereits musiziert, und Simon Rattle präsentiert sich erneut am nächsten Wochenende. Jetzt stand Franz Welser-Möst am Pult, um die „Prager Sinfonie“ Nr. 38 KV 504 von Mozart sowie das „Zweite Klavierkonzert“ op. 19 von Beethoven zu leiten: mit Igor Levit an den Tasten. Die Wahl des Programms ist nicht gerade gewöhnlich, denn: Bei den BR-Symphonikern konnte Welser-Möst zuletzt mit Richard Strauss besonders überzeugen.

Diesen Komponisten hatte hingegen Harding kürzlich dirigiert, obwohl gerade die Klassik ein besonderes Markenzeichen von ihm ist: wie auch übrigens von Rattle. Dagegen wirkte Mozart unter der Leitung von Welser-Möst ziemlich behäbig und breit. Allein die Wahl der Tempi verriet, wie antiquiert der gebürtige Linzer die Wiener Klassik nimmt. Das Andante des Mittelsatzes schleppte sich in der Endlosschleife mühsam voran.

Bisweilen zerfledderte die Struktur, was die BR-Musiker nur eingeschränkt auffangen konnten. Über weite Strecken gab es zwischen den Geigen und Bläsern keine Übereinstimmung. Auch in den Ecksätzen wackelten manche Einsätze teils erheblich. Dies war nicht das Niveau, wie man es sonst von diesem Weltspitzen-Orchester gewohnt ist. Das lag einzig und allein an Welser-Möst. Er hatte ganz offenkundig keine konzise, frische Idee.

Sonst hätte Welser-Möst nämlich bemerkt, dass das Andante mit seiner gemessenen Dreier-Bewegung im Grunde das fehlende Menuett ersetzt: Es ist eben kein langsamer Mittelsatz. Dagegen fehlte den Ecksätzen – und vor allem dem Finale – jeder Humor. Hier wurde Mozart so spießig und muffig genommen wie in den tiefsten 1950er-Jahren: als ob der 2016 verstorbene Originalklang-Pionier und kühne Mozart-Exeget Nikolaus Harnoncourt gar nicht gelebt hätte.

Einen besseren Eindruck machte zuvor das „Zweite Klavierkonzert“ von Beethoven, was vor allem Levit zu verdanken ist. Im zweiten Satz gelang Levit eine intime, kontemplative Reflexion von berückender Schönheit. Allerdings mangelte es in den Ecksätzen auch hier an der nötigen Brise Humor. Levit nimmt Beethoven inzwischen vor allem als quasi-spirituelles Großereignis, mit viel perlendem Schönklang-Lyrismus. Die zahlreichen Ecken und Kanten wirken da manchmal etwas geglättet.

Doch das Hauptproblem war Mozart. Es offenbarte sich einmal mehr, dass die BR-Symphoniker großen Nachholbedarf haben im Repertoire der Wiener Klassik. Ob Haydn, Mozart oder der frühe Beethoven: Hier muss das Orchester noch einiges für sich entdecken. Auch darauf sollte bei der Jansons-Nachfolge geachtet werden. Ob Welser-Möst dafür die richtige Persönlichkeit ist, bleibt nach diesem Konzert fraglich. (Marco Frei)

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