Kultur

28.02.2014

Multikulti in der Donaumonarchie

Literaturarchiv Sulzbach-Rosenberg skizziert Lebensbilder von Künstlern aus Böhmen und Mähren

Sulzbach-Rosenberg liegt schon in der Nähe jener Schnittfläche, wo Böhmen und Bayern einander innig berühren: An der Goldenen Straße, die von Nürnberg nach Tachau und weiter nach Prag führte. In Sulzbach-Rosenberg übernachtete Jan Hus auf seinem Weg zum Konstanzer Konzil – und wäre vermutlich lieber dort geblieben, wenn er den weiteren Verlauf seiner Reise auch nur entfernt vorweggeahnt hätte. Die Stadt ist ein passender Platz für eine ebenso kompakte wie informative Ausstellung mit dem Titel In Böhmen und Mähren geboren – bei uns (un)bekannt? im dortigen Literaturarchiv. Zwölf ausgewählte Lebensbilder werden auf Schaustafeln und in Vitrinen vorgestellt: von Sigmund Freud über Rainer Maria Rilke und Johann Gregor Mendel bis Oskar Schindler.
Räume, die an Grenzen liegen, werden stets weniger von Trennendem als von übergreifenden Gemeinsamkeiten bestimmt. Das ist die Kernbotschaft der Ausstellung: Es geht ihr um die Zusammenhänge und Wechselwirkungen in der Kulturgeschichte zweier Länder. Und so bekommen die Schautafeln sogleich mehrere Dimensionen, zeigen biografische Daten ebenso wie historische Hintergründe von Lebenswerken, lassen Land- und Ortschaften durch Werke hindurch scheinen und geben, ganz nebenbei, Anregungen zu Ausflügen ins so nahe Tschechische: Man könnte mal zu Marie von Ebner-Eschenbachs Lieblingsort Schloss Lissitz reisen, oder Gustav Mahlers Geburtshaus in Kalischt besichtigen.

Gutes Miteinander

Ebner-Eschenbach, Mahler, Karl Kraus und Ferdinand Porsche: Nicht wenige, die man der deutschen Geistesgeschichte zuordnet, haben ihre Wurzeln in Böhmen und Mähren. Diverse von Franz Kafkas Erzählungen sind im Prager Goldenen Gässchen entstanden, viele von Otfried Preußlers Geschichten wurzeln im Isergebirge, die Burgruine Wittinghausen findet sich in Adalbert Stifters Witiko wieder. Sigmund Freud dagegen bezeichnete Olmütz, seinen zeitweiligen Aufenthaltsort als Armeearzt, deutlich freudloser, nämlich schlicht als „Saunest“. Aber nichtsdestotrotz: Regionen wie Böhmen waren einst für ihr durchschnittlich ganz gut funktionierendes Miteinander bekannt, bevor die Weltgeschichte sie brutal durchtrennte.
Für dieses relativ schmerzlose, eher milde Miteinander unterschiedlicher Nationalitäten auf engem Raum stand letztlich auch das Habsburger Reich, das vielleicht oft zu Unrecht geschmähte Konstrukt.
In diesem Reich jedenfalls waren auch die im Literaturarchiv vorgestellten Persönlichkeiten zu Hause und atmeten entfernt jene versuchsweise k.u.k-Multikulturalität. Als bestes Beispiel dafür dient die in der Ausstellung ebenfalls präsentierte Bertha von Suttner, Autorin des Buches Die Waffen nieder! Das Konterfei der Pazifistin ist heute auf der österreichischen Zwei-Euro-Münze zu sehen; sie starb am 21. Juni 1914. Eine Woche vor Beginn des Ersten Weltkriegs. (Christian Muggenthaler) Bis 28. März. Literaturarchiv Sulzbach-Rosenberg, Rosenberger Straße 9, 92237 Sulzbach-Rosenberg. Di. bis Fr. 9 – 17 Uhr, So. 14 – 17 Uhr.
www.litraturarchiv.de

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