Kultur

Jennifer O'Loughlin macht aus der Titelpartie der Anna Bolena eine packende Charakterstudie. (Foto: Narie-Laure Briane)

07.12.2020

Packende Seelendramen

Das Gärtnerplatz-Theater bringt eine neue „Anna Bolena“ von Gaetano Donizetti im Live-Stream

Kaum zu glauben, aber die Corona-Pandemie hat auch etwas Gutes. Weil im November wegen des Lockdowns alle Vorstellungen abgesagt werden mussten, gab es am Gärtnerplatz-Theater mehr Probenzeit für die jüngste Premiere Anna Bolena von Gaetano Donizetti. Statt wie geplant konzertant konnte der Belcanto-Zweiakter nun halbszenisch gezeigt werden. Es war zugleich die erste Live-Stream-Premiere des Hauses.

Auch dieses Werk wurde in einer reduzierten Orchesterfassung realisiert - dieses Format hat das Gärtnerplatz-Theater im Zuge der Corona-Pandemie bereits erfolgreich erprobt. Diese speziellen Bearbeitungen sind keineswegs einfach ein Notnagel. Vielmehr gewährt gerade die Reduktion überaus spannende Einblicke in das Sein und Wollen der Werke.

Das gilt auch für Anna Bolena. In der Oper überwiegen nicht die großen Arien, sondern die Innenschau der Charaktere. Oder anders: Es sind Charakterstudien, die Donizetti und sein Librettist Felice Romani verdichten. In der reduzierten Orchesterfassung von Tony Burke ist ein umso intimeres Kammerspiel das Ergebnis.

Genau das gelang auch deswegen, weil Jennifer O‘Loughlin aus der Titelpartie eine unerhört intensive Charakterstudie machte. Sie spielte und sang die glücklos auf dem Schafott endende Ehefrau von Heinrich VIII. mit einer Authentizität im Ausdruck, wie man sie nur selten in dieser Partie erlebt. Das berührte auch den Gesang: Sie hat hier den Belcanto von Donizetti stilecht und kenntnisreich ausgeleuchtet. Am Gärtnerplatz-Theater hatte die Amerikanerin 2018 bereits in Maria Stuarda von Donizetti brilliert. Diesmal sang sie heller und klarer, weniger affektreich tremolierend: gut so.

Auch Margarita Gritskova überzeugte als hadernde Giovanna Seymour, Hofdame der Königin Anna. Sie hat ein Techtelmechtel mit dem blutrünstigen König von England. Der wiederum fand im Bass von Sava Vemić einen passenden Ausdruck: hart und kalt in der klanglichen Wirkung, was das Rigorose und Skrupellose unterstrich. Als Lord Riccardo Percy, der ehemalige Geliebte von Anna Bolena, gelang zudem auch Lucian Krasznec eine glanzvolle Ausgestaltung. Sein hell-warmer, strahlender Tenor machte buchstäblich eine ungestillte, unbedingte Liebe hörbar.

Das alles wurde von dem Gärtnerplatz-Orchester musikalisch sehr fein und nuancenreich in Szene gesetzt. Im Graben saßen durchwegs echte Solist*innen. Allerhöchstes Niveau wurde da geboten. Mit Howard Arman agierte ein Dirigent am Pult, der als künstlerischer Leiter des benachbarten BR-Chores bestens bekannt ist. Er führte die Solist*innen auf der Bühne mit größter Umsicht durch die Partitur, trug die Stimmen und schenkte ihnen den notwendigen Raum.

Die Regie von Maximilian Berling setzt allein auf die Psychologisierung der Charaktere, um ganze Seelendramen in den Fokus zu rücken. Zwar wirkt die Ausstattung von Inge Schäffner bisweilen arg historisierend, aber: Nichts auf der Bühne lenkt von diesem psychologischen Kammerspiel ab. Das war absolut hörens- und sehenswert! (Marco Frei)

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