Kultur

Das Kreuz mit Corona: auch das Oberammergauer Passionsspiel musste abgesagt werden. Es wurde um zwei Jahre verschoben - am 5. Oktober startet der Vorverkauf dafür. (Foto: dpa/Angelika Warmuth)

01.10.2020

Passion 2022

Neustart für Oberammergauer Passion: Am 5. Oktober beginnt der Vorverkauf für die auf 2022 verschobenen Aufführungen

Seit Monaten hängen an die 2500 Kostüme fertig und unberührt hinter der Bühne des Oberammergauer Festspielhauses. Ein paar neue Anproben werden wohl nötig sein - denn die Kinder sind gewachsen und wie man hört, soll der eine oder andere im Homeoffice während der Corona-Krise ein paar Kilo zugelegt haben. Das allerdings ist für Spielleiter Christian Stückl die geringste Sorge. Die Kostüme der Kinder etwa sind problemlos - sie sind nach Konfektionsgrößen genäht. Und bis zur Anprobe ist noch Zeit.

Erst langsam kommen die Vorbereitungen für die wegen der Corona-Pandemie für dieses Jahr abgesagten Oberammergauer Passion wieder in Gang. Am 5. Oktober soll der Vorverkauf für den neuen Termin starten - die Oberammergauer wollen ihr berühmtes Laienspiel von Leben, Sterben und der Auferstehung Jesu nun vom 14. Mai bis 2. Oktober 2022 auf die Bühne bringen.

Am 19. März hatte Stückl die Passion verschoben. Fast die Hälfte der gut 5000 Oberammergauer wirkt der Tradition folgend mit, rund 4500 Zuschauer fasst das Freilichttheater - in Corona-Zeiten undenkbar.

Dabei waren die Vorbereitungen zu der Zeit in der Endphase. Stückl, der die Passion zum vierten Mal inszeniert, war in engen Austausch mit Vertretern des Judentums gegangen und mit den Hauptdarstellern eigens nach Israel gereist. Der 58-Jährige hat die Passion seit 1990 grundlegend erneuert und von antisemitischen Zügen befreit - dafür wurde er mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Abraham-Geiger-Preis und der Buber-Rosenzweig-Medaille.

Die Proben liefen. Die Bühne war fertig, sie war für einen sechsstelligen Betrag umgebaut worden. An dieser Optik wird sich bis 2022 nichts Grundlegendes ändern. Ein paar Kostüme müssen vielleicht noch genäht werden - denn möglicherweise bekommen im übernächsten Jahr weitere Oberammergauer das Spielrecht. Dieses gilt, wenn jemand im Ort geboren ist oder seit 20 Jahren dort lebt - und wer spielen möchte, muss berücksichtigt werden. Die schon verteilten Rollen will Stückl aber nicht neu vergeben. "Jeder, der das will, behält seine Rolle. Ich schätze, dass 95 Prozent der Leute die Rolle auch übernehmen." Die Jesusdarsteller Frederik Mayet (40) und Rochus Rückel (24), die sich die Auftritte bei den rund 100 Vorstellungen teilen, bleiben sicher.

Die Proben müssen ganz neu starten. "Nach zwei Jahren muss man wieder von vorne anfangen zu Proben. Wir müssen in Oktober 2021 nochmal die ganze Maschinerie hochfahren", sagt Stückl. Dann sollen die Arbeit in den Werkstätten und die Chor-Proben neu beginnen. Ab Januar 2022 will Stückl die Darsteller zu Proben auf die Passionsbühne holen.

Auch den Text wird Stückl überarbeiten - diese Arbeit ende immer erst kurz vor der Premiere, sagt Stückl. "Der Text ist nicht ein feststehendes Konstrukt. Ich habe jetzt eineinhalb Jahre Zeit, bis die Proben wieder anfangen." In welche Richtung es textlich geht, ist momentan in Entwicklung. "Wir wissen alle nicht, wo wir in zwei Jahren stehen. Es ist eine ganz eigenartige Situation, und wo sie hinführt, ist offen."

Seit Monaten haben sich die meisten Darsteller nicht gesehen. Erstmals trafen sich nun kürzlich Stückl und die beiden Jesus-Darsteller Mayet und Rückel im Café. Erste Besprechung. "Wir freuen uns alle auf 2022 und hoffen stark, dass wir die Passion dann endlich auf die Bühne bringen können", sagt Mayet.

Derzeit werde überlegt, ob im nächsten Sommer auf der Passionsbühne Aufführungen stattfinden könnten, wie es in anderen Jahren der Fall war. Das Stück "Die Pest", das traditionell im Jahr vor der Passion auf die Bühne kommt und 2019 gespielt wurde, gibt es aber nicht. "Das werden wir nicht nochmal machen", sagt Mayet.

Bärte und lange Mähnen hatten bis zur Absage der Passion das Bild in Oberammergau geprägt. Der Tradition folgend müssen die Mitspieler sich Bart und Haare wachsen lassen. Derzeit tragen die meisten wieder kurz. Seine Frau habe ihm nach der Absage im März die Haare geschnitten, sagt Mayet. "Sie hat das nicht mehr ausgehalten." Langsam denkt er wieder ans Wachsen lassen. Am Aschermittwoch 2021 wird Stückl erneut den Haar- und Barterlass verkünden, nach dem die Mitspieler sich die Haare nicht mehr schneiden dürfen.

1633 gelobten die Oberammergauer, alle zehn Jahre das Spiel vom Leiden, Sterben und der Auferstehung Christi aufzuführen, wenn niemand mehr an der Pest sterben sollte - was der Legende nach auch geschah. Mehrfach in der fast 400-jährigen Geschichte wurde das Spiel verschoben - just auch vor hundert Jahren: Wegen der Folgen des Ersten Weltkriegs wurde statt 1920 erst 1922 gespielt. 1770 fand die Passion aufgrund eines Generalverbotes nicht statt, 1870 wurde die Passion wegen des Kriegs mit Frankreich unterbrochen und 1871 fortgesetzt. 1940 verhinderte der Zweite Weltkrieg eine Aufführung.

Die Absage im März hatte Stückl sichtlich bewegt. Trotzdem sagt er: "Man muss das pragmatisch sehen. Das ist nicht das große Drama. Da gibt es ganz andere Dramen." Sie spielten sich etwa ab in Flüchtlingslagern, auf die in der Krise kaum noch geachtet werde. (Sabine Dobel, dpa)

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