Kultur

Jo Baiers "Große Spirale" im spannenden Dialog mit Sakralarchitektur. (Foto: Auerbach)

13.09.2013

Phantasievolle Weggefährten

Durch Burghausen führt eine Skulpturenmeile mit Arbeiten von deutschen und österreichischen Bildhauern des 20. und 21. Jahrhunderts

Chemiedreieck heißt die Gegend ziemlich nüchtern, hat zwar immer noch keinen vernünftigen Autobahnanschluss, aber jede Menge weithin beachteter und beachtlicher Kultur: aus frühen Tagen die größte Burganlage weltweit, seit Jahrzehnten die Jazztage, neuerdings ein Literaturfest und jetzt für 365 Tage einen Skulpturenweg. Der führt in Burghausen entlang an rund 40 Arbeiten von „Weggefährten“, aufgereiht von der Hauptburg mit dem Stadtmuseum bis zum Haus der Fotografie. Dort wird dieser Überblick über bayerische und österreichische Bildhauerei des 20. und 21. Jahrhunderts mit einer Fotoausstellung dokumentiert.
„Habe in meinem Reich keine solche Burg und Stadt“, hatte Kaiser Joseph II. anerkennend über die 1051 Meter lange Burganlage mit ihren sechs Höfen gesagt, über die jetzt die Arbeiten von Josef Baier bis Fritz Wotruba verteilt sind. Das ist eine starke Umgebung für solche starken Stücke wie die beiden großen Stelen von Lothar Fischer, einst Professor in München und Berlin: Große Wächterin (1990), Große weibliche Aktstele (1998), beide aus Eisen, beide um die drei Meter hoch und als Leihgabe der Lothar und Christel Fischer Stiftung in Neumarkt, die das Erbe Fischers pflegt und jüngst das Doppel der einen Figur vors eigene Museum gestellt hat.

Lehrer und Schüler

Fischer und seine Umgebung stehen stellvertretend für dieses „Weggefährten“-Thema: Sein Lehrer Heinrich Kirchner ist in Burghausen genauso vertreten wie sein Kollege Michael Croissant aus München, dessen eiserner Kopf die menschliche Realität zu einem anthropomorphen Block abstrahiert. Fischer und Croissant: Auch der Bezug zu ihrem gemeinsamen Lehrer Toni Stadler wird in Burghausen sichtbar, auch wenn ausgerechnet diese Vaterfigur in der Skulpturenmeile fehlt. Dafür aber in Herbert Peters noch einen seiner Schüler mit dem Eisenvollguss Dreiteilig I zitiert.
Überhaupt spielt das Burg-Projekt nahe der österreichischen Grenze das Thema „Lehrer/Schüler“ ganz virtuos: Stadler mit Fischer und Croissant, Erwin Reiter mit Makoto Miura, Fritz Wotruba mit Erwin Reiter, Hans Wimmer und Wilhelm Uhlig. Die beiden letzten vertreten in dieser Schau nicht nur die Münchner Bildhauerschule, die sich dem Figürlichen verpflichtet fühlt, sie fügen der ansonsten vorherrschenden Körper-Abstraktion auch die Sprache des Wiedererkennens hinzu: „Während jeder sich vom Gegenstand löst, weil es ‚modern’ ist, stelle ich den Gegenstand dar“, sagt Wimmer, und seine Große Sitzende (1983) zeigt in Burghausen, was er damit meint.
Burghausen hat nicht nur zusammen mit zwei oberösterreichischen Städten die letztjährige Landesausstellung gestaltet, natürlich blickt auch sein Skulpturenweg über die nahe Grenze: Alfred Hrdlicka ist neben anderem mit der Bronze-Arbeit Orpheus I als Beispiel seiner expressiven Figurensprache vertreten. Deutlich und drastisch ist Erwin Reiter aus Linz mit seinen bänderartig verbundenen und verschlungenen Plastiken wie Gewalt in der Tradition von Yannis Kounellis. Und natürlich ist da Fritz Wotruba, der durch Fotografien und Dokumente in Burghausen bis Juni präsent war. Diese Teil-Ausstellung unter dem Titel Figur in Block und Röhre war im Haus der Fotografie Teil des Begleitprogramms zur Skulpturenmeile, die auch in die Studienkirche und auf dem Stadtplatz lockt.
Es sind nicht nur die tonnenschweren Eisen- oder Bronzefiguren, die einen auf dem Skulpturenweg begleiten, auch der 70-jährige Anton Kirchmair kommt zu Wort: Größe und Gewicht seiner Skulpturen dürften nie über das Tragbare hinausgehen, meinte er und lässt Leichtigkeit und dichten Inhalt eine Verbindung eingehen. Dass man dabei nicht stehen bleiben muss, sondern aus geschnittenem, gefalteten Papier auch zu großformatigen Stahlplastiken kommen kann, zeigt Makoto Miura, der in der Nähe von Linz lebt: nachzuprüfen gleich neben der Hedwigskapelle auf Burghausens Burg.
(Uwe Mitsching) Bis 21. April 2014. www.burghausen.de Abbildung: "Große Wächterin" von Lothar Fischer. (Foto: Auerbach)

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