Kultur

Vermeers "Frau mit Waage" wurde 1826 für einen Spottpreis versteigert – jetzt ist das Gemälde als Leihgabe in die Alte Pinakothek nach München zurückgekehrt. (Foto: National Galery of Art)

18.03.2011

Rückkehr eines Verkannten

Zum Auftakt des Jubiläums 175 Jahre Alte Pinakothek sind "Vermeer in München" und "Schätze aus dem Depot" zu sehen

Erstrangige Museen erkennt man an ihren erstrangigen Exponaten. Die Alte Pinakothek in München gehört eben deshalb zu den bedeutendsten Galerien der Welt, weil sie eine Fülle an Spitzenwerken abendländischer Malerei zeigt. 175 Jahre wird diese von König Ludwig I. gegründete Institution heuer alt, die am 16. Oktober 1836 als größtes Museum ihrer Zeit die Pforten öffnete. Mit der Alten Pinakothek war Bayern also schon vor 175 Jahren das, was es auf anderen Gebieten erst viel später werden sollte: ein internationaler Vor- und Spitzenreiter.
Ja mehr noch, Bayern hätte sich kaum zu einer der fortschrittlichsten Weltgegenden entwickeln können, wenn nicht seine Hauptstadt im 19. Jahrhundert etwas gewaltsam zur Kunstmetropole umgemodelt worden wäre. Denn nur indem der rückständige Agrarstaat auf kulturellem Gebiet mit absoluten Maßstäben, mit Höchstleistungen vertraut gemacht wurde, konnte jenes Bewusstsein für die ganz großen, sozusagen globalen Dimensionen entstehen, das die geistige Voraussetzung für den Anschluss an die „internationale Spitze“ auch in anderen Bereichen darstellt.
Davon abgesehen, ist das Jubiläum der Alten Pinakothek in jeder Hinsicht ein Grund zum Feiern. Zum Auftakt einer Reihe von „Geburtstags“-Ausstellungen ist dem Museum ein besonderer Coup gelungen: Es konnte Jan Vermeers Gemälde Frau mit Waage (1663/64) aus der Washingtoner National Gallery of Art für drei Monate als Leihgabe gewinnen.
Fast scheint es, als sei schon im Sujet gerade dieses Bildes die spezifische Meisterschaft des großen Niederländers symbolisch repräsentiert, der vor einigen Jahren auch über die Kunstwelt hinaus als Filmfigur (Das Mädchen mit dem Perlenohrring) posthum zum Popstar avancierte: Erzeugt er nicht – analog dem Mädchen mit der Feinwaage – durch das subtile Austarieren der Valeurs jene magisch-unwirklichen Stimmungen, die gerade den modernen Betrachter so faszinieren, weil ihre auratische Wirkung einen irritierenden, aber genau „abgewogenen“ Kontrast zu den alltäglichen Genre-Motiven der Gemälde bildet?
Das singuläre Meisterwerk ist jedenfalls nicht ohne Grund Mittelpunkt der Jubiläums-Schau Vermeer in München (die aber nur diesen einen Vermeer präsentiert): Einst gehörte es zur Privatsammlung von König Max I. Joseph (dem Vater Ludwigs I.), die nach seinem Tod 1826 versteigert werden musste, weil der König „Verbindlichkeiten“ hinterlassen hatte.
Ausgerechnet der Vermeer, der damals nicht viel galt, ging für einen Spottpreis an einen Käufer – anders als viele sonstige Werke aus dem Besitz des ersten bayerischen Königs, die damals für die Staatsgemäldesammlung erworben werden konnten und bis heute in der Alten Pinakothek zu bewundern sind.
So etwa Jacob van Ruisdaels Dünenlandschaft von 1647, in deren faszinierender Komposition sich dramatische Bewegung mit Statuarik spannungsvoll verschränkt, und die mit einigen anderen Werken aus der Sammlung von Max I. in der Ausstellung wie ein Trabant um die Vermeer-Sonne angeordnet wurde.
Eher kurios scheint hingegen die zweite Schau zum Jubiläum: Unter dem Titel Schätze aus dem Depot sind da Bilder ans Licht geholt, die aus gutem Grund sonst nicht in den prächtig-dezenten Sälen der Pinakothek hängen: Kopien nach Jan van Eyck oder der unentschiedene Eklektizismus mittelmäßiger niederländischer „Romanisten“ wirken in einem Museum, das Maßstab-setzende Hauptwerke von Raffael, Rubens und Dürer zeigt, fast wie Fremdkörper. (Alexander Altmann)

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