Kultur

Pausenloses Abschlachten des Königs mit jeder Menge Blut ist in dieser Inszenierung Programm. (Foto: Konrad Fersterer)

14.12.2018

Shakespeare in Schlachthaus-Lesart

Inszenierung von Shakespeares „Macbeth“ am Nürnberger Staatstheater für Kenner des Originalwerks

Als Friedrich Schiller für Weimar den Macbeth bearbeitete, beschwerte sich das Publikum: der freche „Höllen-Pförtner“ bei Shakespeare sei zu einem frommen Morgenlied verkommen. Nichts im Vergleich zu heute, da gibt es in der Fassung von Philipp Preuss am Staatstheater Nürnberg zwar den Pförtner als typischen Shakespeare-Narren noch, aber auch fünf Macbeths, und aus der fünfaktigen Tragödie wird eine sich wiederholende Warteschleife: bis zu König Duncans Ermordung und dem ganzen Rest als kurzem Narrativ.

Mord als Machterhalt


Immerhin stehen die Bäume des Walds von Birnam schon von Anfang an auf der Bühne herum. Was Regisseur Philipp Preuss dem verblüfften Auditorium mitteilen will, das sich per Videokamera in „des Usurpators Haupt“ schließlich auch selbst sieht: So etwas wie hier bei Shakespeare gibt es immer wieder – Mord als Mittel zum Machterhalt.

Also geht der rote Plüschvorhang immer wieder auf und zu vor der Goldlamé-Bühne und stottert der hagere Mönch am Klavier mehrfach, worum es gehen soll in diesen knapp zwei Stunden ohne Pause: das pausenlose Abschlachten des Königs und von Shakespeares Text.

Für seine Fassung braucht Preuss im Bühnenbild von Ramallah Sara Aubrecht gerade mal sechs Schauspieler, vier davon (auch eine Frau) wechseln sich als Macbeth ab, was durchaus differenzierte Sichtweisen auf Macht- und Mordlust ermöglicht. Lisa Mies bleibt immer die Lady, darf aber die Kostüme von vormals bis Varieté wechseln sowie die Methoden, wie sie den Than von Cawdor rumkriegt zum Königsmord. Das haben zwar die Hexen per Lautsprecher und ohne allen Walpurgisnacht-Budenzauber schon vorhergesagt, der Lady gelingt die Realisierung dann durch Einflüsterung, Anstachelung von Macbeths Machtgier oder seiner sexuellen Hörigkeit.

Horror-Paar im Blutrausch


Unbedingt langweilen muss man sich während dieses „Tema con Variazioni“ nicht, denn jedes Mal wird ein anderes Stück von Shakespeares Text nachgeliefert. Wer den nicht gut kennt, wird sich allerdings in dieser Schlachthaus-Lesart ordentlich verheddern. Was man überreichlich mitkriegt, ist der Blutrausch, in den sich das machtgeile Horror-Paar hineinsteigert: Rote Brühe tropft vom Schnürboden, wird kübelweise über den Leichenberg in Unterhosen geschüttet – Extraschichten für die Theater-Putzkolonne!

Stück für Dramaturgen


Denn kaum lässt der Auf-und-zu-Vorhang mal eine Lücke, wird schon der erste tote König Duncan aufs Proszenium geschleift, hat die Krone ein anderer und wallen ewig die Nebel Schottlands. Von den Schauspielern Julia Bartolome, Yascha Finn Nolting, Raphael Rubino und Felix Mühlen oder via Lautsprecher hört man brabbelndes Ur-Angelsächsisch bis zu schnoddrigem Alltags-Speech, auch lustige Buchstabenketten des Pförtners (Sascha Tuxhorn), über die sich wenigstens eine Dame im Parkett ausschütten kann vor Lachen.

Preuss gelingen in seiner Shakespeare-Dekonstruktion mit dem geschredderten Text ein paar einleuchtende Bilder: Wenn die biestige Lady auf der kahlen Bühne hergekrochen kommt und ihrem Mann an der Rampe den Mordplan einflüstert – zeitlose Partnerschaftsmechanismen werden da von Preuss vorgeführt, der am Ende ziemlich griesgrämig den schwachen Applaus entgegennimmt.
Was einen nicht weiter wundert, denn aus dem Klassiker, der durchaus zeitlose Perspektiven und Parallelen eröffnet, wird ein verkopftes Stück für Dramaturgen (Sascha Kölzow). Die Schauspieler haben dabei kaum Zeit, sich das Blut von Gesicht und Krone zu wischen, bevor sie wieder König, Mörder, Opfer sind. Der Narr stapelt die Kronen schließlich auf seinem Kopf und fasst die Story um „das Blut in einem Hirn“ handlich zusammen: „fucking time“.
(Uwe Mitsching)

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