Kultur

Zwei, die eine hochdramatische Studie auch stimmlich realisieren: Rachael Tovey im Auto als Elektra und Mardi Byers als Chrysothemis. (Foto: Ludwig Olah)

13.04.2012

Silberglanz in der Horrorschmiede

Nürnberg feiert Georg Schmiedleitners neue "Elektra" am Staatstheater

Georg Schmiedleitner und Marcus Bosch sollen ab 2013 den nächsten Nürnberger Ring realisieren. Jetzt haben Sie schon mal Hochdramatisches geübt: Elektra von Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal. Es war klar, dass der schon im Schauspiel aufs Blutrünstig-Antike spezialisierte Regisseur Schmiedleitner sich nicht mit einer simplen Psychologen-Couch für den Fall Elektra begnügen würde: für extreme Vaterbindung, Mutterhass, schwierige Schwesterbeziehung, Verdrängung und Lustverzicht und all die bluttriefenden Erinnyen um dieses verletzliche Rachemonster Elektra herum.
Relativ konventionell fürs Strauss’sche Atriden-Setting ist noch der schmutzig-weiße Innenhof geraten, in dem Elektra vegetiert und aus dessen Betonfugen Vegetation wuchert zwischen blutigen Schlieren. In dem aber die alte Rostlaube eines Opel Kapitän steht, vollgepackt mit Devotionalien und zugewachsen mit grünem Geschlinger: der steht für den toten Vater Agamemnon. Elektra vergoldet ihre Erinnerung an ihn mit Blattsilber, das sie immer wieder aufträgt. Auf den alten schlitten häuft Schmiedleitner die Hekatomben von Schlachtopfern, auf seinem Kofferraumdeckel knallen sich die Kontrahenten dieses Fin-de-siècle-Fights der Psychosen – ein überraschendes, immer sinnfälliges Dingsymbol auf der ansonsten mit Scheinwerferbatterie und Boxerbirne gefüllten Staatstheaterbühne (Stefan Brandtmayr).
Schmiedleitner entwickelt mit viel Statisteneinsatz eine spannende, hochdramatische Studie, die Rachael Tovey als Elektra realisiert – intensiv im Spiel, mit kraftvollen Spitzentönen und schönen Versuchen, auch der Lyrik der Partie, der Verletzlichkeit der Figur gerecht zu werden. Ihr zur Seite Mardi Byers als Chrysothemis, pummelig und geschmacklos gekleidet wie alle in Mykene. Sie ist keine kinder- und familienglückvernarrte Lichtgestalt, sondern verstrickt in diesem modrigen Mythos, stimmlich ihrer Schwester kaum unterlegen.
Daniela Denschlag kann als Klytämnestra auf die Krücke, mit der sie anfangs herumhumpelt, gut und gern verzichten, auch auf die Perücke, die ihr Elektra vom Kopf reißt. Während sie ihr Innerstes nach außen schreit, versilbert die Tochter ungerührt den alten „Kapitän“ – dabei sieht die Mutter eher wie die alte Elizabeth Taylor aus als nach „wüstem Feld“.
Schließlich ein Orest (Jochen Kupfer), der im Kapuzenmantel auftritt als käme er vom Wüstenplaneten, dabei herrlich sonor orgelt, dann aber ein kahlköpfiger Skinhead-Bubi ist, der seine Schwester erschießt – warum, weiß der Regisseur.
Diese mitreißend hochdramatische Besetzung ist die eine Seite des fast hysterisch gefeierten Erfolgs dieser Nürnberger Elektra. Die andere ist das fulminante Dirigat von Marcus Bosch, der mit der reduzierten Orchesterbesetzung ein Maximum an blühenden Farben, schwelgerischer Lyrik, Klangkonvulsionen zaubert, Sänger und Orchester zum Äußersten herausfordert und diese „Partitur des Überflusses“, diese „komponierte Unmöglichkeit“ (Bosch) zur Triebkraft der Elektra-Dramatik aus Stephen Kings Horrorschmiede macht, deren suggestiver Wirkung man sich kaum entziehen kann. Kein Wunder, denn auf der Opernhausbühne wird doppelt gespielt: die blutbeschmierte Opernhandlung und das, was sich in Elektras rachelüsternem Hirn abspielt.
Georg Schmiedleitner hat Hofmannsthal sehr genau gelesen und beim Wort genommen. Das sind keine schlechten Aussichten auf die Inszenierung von Wagners Monster-Tetralogie. (Uwe Mitsching)

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