Kultur

Warum aus Griet schließlich Mata Hari wird, bleibt in diesem Musical unbeantwortet. Betont wird diese Diskrepanz durch die Aufteilung der Rolle auf zwei Darstellerinnen: Florine Schnitzel als Griet mit Armin Kahl als ihrem Ehemann Rudolph „Johnny“ MacLeod am Boden, daneben am Mikrofon Ann Sophie Dürmeyer als Mata Hari. (Foto: Marie-Laure Briane)

31.03.2023

Spionin ohne Spitzenhöschen

Wehmütige Erinnerung an den Doris-Day-Film: Das Musical „Mata Hari“ am Münchner Gärtnerplatztheater ist unterhaltsam, aber nicht gesellschaftskritisch

Die Szene ist legendär. Im Traum sieht sich Jennifer Nelson als Mata Hari. Sie steht vor Gericht und wird als Spionin zum Tod verurteilt. Schon erwacht sie aus ihrem Albtraum. Es ist Doris Day im Filmklassiker Spion in Spitzenhöschen (1966, Frank Tashlin). Der Filmtitel gaukelt ein verstaubtes Frauenbild vor, passend zur damaligen Zeit. Im Gewand einer vermeintlich seichten Komödie verbirgt sich jedoch eine frech-groteske Gesellschaftssatire. Als Jennifer kämpft Doris Day an mehreren Fronten. Sie gerät unwissend in das Umfeld eines dubiosen Männer-Clans und wird bald der russischen Spionage bezichtigt. Als Frau dreht sie den Spieß um. Die Männer verblassen zu einer kümmerlichen Ansammlung stupider Dienst-nach-Vorschrift-Bürokraten. Ganz nebenbei räumt der Film auch mit der abgründigen Kommunisten-Hatz in den USA der 1950er-Jahre während der McCarthy-Ära auf.

Von allem etwas

Von dieser geballten Ladung Gesellschaftskritik, wie sie auch in der Mata-Hari-Traumsequenz zum Ausdruck kommt, ist das neue Musical Mata Hari des Komponisten Marc Schubring und des Librettisten Kevin Schroeder meilenweit entfernt. Bei der Uraufführung am Münchner Gärtnerplatztheater zeigt sich allein dramaturgisch eine große Schwäche. Offenbar konnte sich das Schöpfer-Duo nicht entscheiden, was es wollte. Das Ergebnis: von allem etwas.

Da ist die Margaretha Geertruida Zelle aus Holland, genannt Griet: Ihre Ehe mit einem niederländischen Offizier (Armin Kahl) ist auch sexuell frustrierend. Er ist genauso spießig wie die gesamte Gesellschaft. Als er in die niederländische Kolonie Java abberufen wird, reist sie mit und erhofft sich ein märchenhaftes Leben. Die Realität sieht anders aus, zumal die verwitwete Offiziersgattin Friga van Rheede (Dagmar Hellberg) nicht gut auf sie zu sprechen ist. Als Griet einen Sohn gebärt, hält sie ihr korsettreiches Leben nicht mehr aus. Der frühe Tod des Kindes führt in eine Katastrophe. Der Offizier erschießt kurzerhand die javanische Amme.

Warum und wie aus diesen „Szenen einer Ehe“ die frivole, spionierende Mata Hari wird, lässt das Musical offen. Auch die politische Zeitgeschichte wird ausgeklammert. Nur in eingeblendeten Filmsequenzen werden Bezüge zum Strafprozess von 1917 in Paris gegen Mata Hari wegen Hochverrat hergestellt. Sie deuten vor allem an, was alles aus diesem Stoff hätte herausgeholt werden können. Immerhin soll die Frau im Ersten Weltkrieg sowohl für Deutschland als auch für Frankreich spioniert haben. In Paris wurde Griet schließlich hingerichtet.

Die eingeblendeten Aussagen der Männer über sie verraten viel über die Doppelmoral einer patriarchalen Gesellschaft. Die Herren vergnügen sich gerne mit der Nackttänzerin. Sobald sich das Blatt wendet und es auch für sie unangenehm werden könnte, gilt Mata Hari als „Femme fatale“.

Ein Schuss James Bond

Die trennende Diskrepanz zwischen der privaten Griet und der offiziellen Mata Hari wird mit der Zweiteilung der Titelfigur zusätzlich betont, statt sie sinnstiftend zusammenzuführen. So gestaltet Florine Schnitzel die private Griet. Als Mata Hari singt Ann Sophie Dürmeyer Pop- und Rocksongs, die Lieder changieren zwischen Rammstein, Sarah Connor und Helene Fischer. Wenn der Spionagestoff kurz angerissen wird, ist noch ein Schuss James-Bond-Sound dabei.

Auf diese Song-Einlagen beschränkt sich die Karriere von Griet als Nackttänzerin. Schade, denn hier schlummert genauso viel Potenzial wie im Politischen. Die liebevolle Regie von Isabella Gregor deutet das durchaus an. Mehr als das lässt der Text allerdings nicht zu. Dafür aber wirkt die stilistische Mischung aus Pop und Rock einerseits und sinfonischem Musiktheater andererseits für deutsche Musical-Verhältnisse ausgesprochen originell. Unter Andreas Partilla erscheint das Orchester des Gärtnerplatztheaters genauso frisch wie die Choreografien von Adam Cooper. (Marco Frei)

 

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