Kultur

Alice und Ben (Adeline Schebesch und Thomas Nunner) sind seit Jahrzehnten verheiratet und beherrschen die Kunst des geistreichen Zwists. (Foto: Marion Bührle)

13.04.2018

Sprachtanz und Machtspielchen

„Robert Redfords Hände selig“ in Nürnberg ist raffiniertes Konversationstheater

Die Konstellation ist klassisch: Zwei Paare – ein älteres, ein jüngeres – lernen sich kennen. Es kommt zu Verwicklungen, Verbrüderungen und Verwünschungen. Ein Sprachtanz, angetrieben von Machtspielchen und jeder Menge Alkohol. Eine Bühnenlaborkonstruktion ist das wie aus einem Anker-Steinbaukasten für die Dramatiker-Werkstatt.
Und trotz zahlloser Versuche in dieser Richtung zeigt sich: Auch wenn der Grundriss seit Wer hat Angst vor Virginia Woolf? stets derselbe ist, die Gebäude können immer wieder überraschend neue sein. Und ihre Begehung darf ruhig Spaß machen. So wie jetzt bei Robert Redfords Hände selig von Rebekka Kricheldorf in den Kammerspielen des Nürnberger Staatstheaters: raffiniert gebautes Konversationstheater, stimmig inszeniert und bemerkenswert gut gespielt. Ein krachender Ausflug nach Deutsch-Südwest.
Konkret nach Namibia. Obwohl in dem Stück, dessen Titel auf den Film Jenseits von Afrika mit Robert Redford verweist, die deutsche Kolonial-Vergangenheit keine geringe Rolle spielt. Und die Frage, ob so manche heutigen Projekte der Entwicklungszusammenarbeit nicht auch von einer perfiden kolonialistischen Haltung geprägt sein könnten: Die Europäer, die Deutschen wüssten halt immer noch am besten Bescheid, wie es in Afrika zu gehen habe. Im Stück wird mit solchen Fragen jongliert ohne selbst schulmeisterlich zu werden.
In Namibia jedenfalls treffen im Vorfeld einer gut bestückten Bar (selbst Skorpiongiftschnaps gibt es) die Paare Alice/Ben und Julia/Gero aufeinander; wobei erstere ihren Lebensabend in Namibia verbringen und zweitere im Begriff stehen, bei einem Anti-Aids-Projekt mitzuarbeiten. Alice und Ben sind desillusioniert und pflegen die hohe Kunst des geistreichen Zwists. Julia und Gero haben Illusionen, denen allmählich die Wirklichkeit in die Quere kommt. Die einen sind schon Jahrzehnte miteinander verheiratet und kennen alle in der Ehe entstehenden Schmerzzustände, die anderen haben sich womöglich einfach nur – ganz wortwörtlich – getäuscht.
Was Regisseurin Bettina Bruinier und die Schauspieler Adeline Schebesch, Thomas Nunner, Bettina Langehein und Stefan Willi Wang aus Rebekka Kricheldorfs sich in zunehmend paranormale und absurde Bereiche vorarbeitendes Beziehungsspinnengeflecht machen, ist höchst unterhaltsam. Schicht um Schicht bröselt vom Personal Zivilisationskram herab, schmilzt unter namibischer Sonne. Zutage kommen vier Menschen, die nicht mit sich und nicht mit anderen zurechtkommen, völlig unabhängig davon, mit wem sie wo sind.

Rhetorisches Rührei

Auch sie sind also im Grunde völlig jenseits von Afrika, das auf der Bühne (Ausstattung: Mareile Krettek) wie im Inneren der Leute eh nur ein Sammelsurium von Klischees und Gerümpel ist.
Wenn das Beieinander kein Zuhause bietet, gibt es dieses Zuhause auch nirgendwo anders. Es ist ein Genuss, wie die vier Spieler die teilweise grandiosen Dialoge auf der Bühne durchwirbeln wie rhetorisches Rührei, und es wirkt zunehmend sicher, dass die Alten eine gewisse, beruhigende Vorstufe der Weisheit erreicht haben. Hinter allem Hohn und Spott, den beide füreinander haben, mag echte Liebe liegen. (Christian Muggenthaler)

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